Fußball-WM-Vergabe 2006: Auf der Suche nach Antworten

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Der nächste Akt des Sommermärchens: Dienstag durchsuchten Steuerfahnder die Häuser hoher DFB-Funktionäre, auch in der Zentrale des Fußballbundes fand eine Razzia statt.

Frankfurt/Wien. In der Affäre um den Zuschlag für die WM 2006 an Deutschland hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den DFB-Präsidenten, Wolfgang Niersbach, und dessen Vorgänger, Theo Zwanziger, aufgenommen. Die Behörde durchsuchte Dienstagfrüh deren Häuser und auch jenes des früheren DFB-Generalsekretärs Horst R. Schmidt. Gegen das Trio wird wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall ermittelt.

Es drohen sogar Haftstrafen. Oberstaatsanwältin Nadja Niesen: „Sollte sich der hinreichende Tatverdacht erhärten, kommt es zur Anklageerhebung. Dann landet der Fall vor Gericht.“ Niesen sprach von einem Strafmaß zwischen sechs Monaten und fünf Jahren, sollte es zu einer Verurteilung kommen. Von Zwanzigers Anwesen trugen Beamte eine Klappkiste, Koffer und Aktenordner davon. Durchsucht wurde zudem die Zentrale des Deutschen Fußballbundes in Frankfurt am Main, wie Niesen in einem schriftlichen Statement mitteilte. Am Nachmittag verließen die Fahnder mit mehreren Kartons voller Unterlagen die Zentrale.

Viele Fragezeichen

Es geht um die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die laut DFB im Vorfeld der WM an die Finanzkommission der Fifa gegangen sein soll. Die Ermittlungen stehen nach Angaben der Behörde in direktem Zusammenhang mit diesem Geldtransfer. Durch die Millionenzahlung soll sich das Organisationskomitee nach Niersbachs Darstellung eine finanzielle Unterstützung der Fifa in Höhe von umgerechnet 170 Millionen Euro gesichert haben. Der frühere DFB-Präsident Zwanziger hatte zuletzt allerdings bereits von einer schwarzen Kasse gesprochen und die Darstellung des Verbandes in Zweifel gezogen. Den im Raum stehenden Vorwurf eines Stimmenkaufs wies der DFB zurück.

Die Staatsanwaltschaft wirft Niersbach, Zwanziger und Schmidt nun vor, falsche Steuererklärungen für das Jahr 2006 zu verantworten. Körperschafts- und Gewerbesteuern sowie der Solidaritätszuschlag sollen dadurch „in erheblicher Höhe“ gekürzt worden sein. Die 6,7 Millionen Euro seien für eine Kostenbeteiligung an einem Kulturprogramm im Rahmen der WM als Betriebsausgabe steuermindernd geltend gemacht worden, „obwohl ihr tatsächlich ein anderer Zweck zugrunde lag und die Zahlung daher nicht als abzugsfähige Betriebsausgabe hätte geltend gemacht werden dürfen“, schrieb die Staatsanwaltschaft. Gegen den damaligen OK-Chef Franz Beckenbauer – eine weitere zentrale Figur in der Affäre – wurden dagegen zunächst keine Ermittlungen bekannt.

Der langjährige Präsident des FC Bayern München hatte allerdings zuletzt sein eisernes Schweigen gebrochen und erstmals auch einen eigenen Fehler eingestanden. „Um einen Finanzierungszuschuss der Fifa zu erhalten, wurde auf einen Vorschlag seitens der Fifa-Finanzkommission eingegangen, den die Beteiligten aus heutiger Sicht hätten zurückweisen sollen“, hatte Beckenbauer in der vergangenen Woche erklärt. Dafür trage er als Präsident des damaligen Organisationskomitees „die Verantwortung“.

Wie Beckenbauer traf sich auch Zwanziger nach eigenen Angaben inzwischen mit den externen Ermittlern des DFB. Der Verband hat eine Wirtschaftsprüfungskanzlei eingeschaltet, um die Hintergründe der Zahlung im eigenen Haus zu klären. Die internen Ermittlungen sollen nach DFB-Angaben vom Donnerstag aber noch „einige Wochen“ dauern. (ag./red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2015)

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