216.800 Österreicher arbeiten mehr als 60 Stunden pro Woche

File photo of an office in the HSBC building is seen with a light turned on, in the Canary Wharf business district of east London
File photo of an office in the HSBC building is seen with a light turned on, in the Canary Wharf business district of east London(c) REUTERS (© Stefan Wermuth / Reuters)
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In Österreich ist der Anteil der Menschen mit überlangen Arbeitszeiten größer als in Deutschland. Doch wer länger im Büro sitzt, ist nicht automatisch produktiver.

Wien/Berlin. Das Statistische Bundesamt in Deutschland veröffentlichte am Dienstag einen Bericht mit dem Titel „Qualität der Arbeit – Geld verdienen und was sonst noch zählt“. Demnach arbeitete im Vorjahr in Deutschland jeder achte Vollzeit-Erwerbstätige regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche.

Nach internationalen Konventionen gilt eine berufliche Tätigkeit von mehr als 48 Stunden pro Woche als überlange Arbeitszeit. In Deutschland ist der Anteil der Erwerbstätigen mit überlanger Arbeitszeit zurückgegangen – und zwar von 13,6 Prozent im Jahr 2012 auf 12,3 Prozent im Vorjahr.

Bei der überlangen Arbeitszeit sind zwei Trends feststellbar: Es gibt einen Unterschied zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten. So gaben über die Hälfte der Vollzeit-Selbstständigen (53 Prozent) an, mehr als 48 Stunden in der Woche zu arbeiten. Bei den Unselbstständigen betrug dieser Anteil nur sieben Prozent.

Der zweite Trend ist, dass vor allem Führungskräfte von einer überlangen Arbeitszeit betroffen sind. So arbeiteten in Deutschland 37,6 Prozent der Vollzeit-Erwerbstätigen in Führungspositionen mehr als 48 Stunden. Auch weisen Männer mehr überlange Arbeitszeiten auf als Frauen. Denn Frauen üben im Vergleich zu Männern deutlich seltener Führungspositionen aus, heißt es im Bericht.

Unterschiede bei Produktivität

„Die Presse“ hat von der Statistik Austria die Zahlen zu Österreich abgefragt. Und hier ergibt sich ein interessantes Bild. Laut Statistik Austria gab es in Österreich im Vorjahr 2,966 Millionen Vollzeit-Erwerbstätige. Von ihnen arbeiteten rund 498.400 Menschen mehr als 48 Stunden. Der Anteil der Vielarbeiter ist größer als in Deutschland. In Österreich hat jeder sechste Vollzeit-Erwerbstätige eine überlange Arbeitszeit, in Deutschland ist es nur jeder achte. Zudem gibt es in Österreich 216.800 Personen, bei denen die normale wöchentliche Arbeitszeit mehr als 60 Stunden beträgt. Ähnlich wie in Deutschland basieren diese Zahlen auf Umfragen. Die Ergebnisse werden dann auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet. Auch in Österreich haben Selbstständige meist eine längere Wochenarbeitszeit als Unselbstständige.

Doch wer länger arbeitet, ist nicht automatisch produktiver. So gehört beispielsweise Südkorea weltweit zu jenen Ländern mit der längsten Arbeitszeit. Durchschnittlich wird in Südkorea pro Arbeitstag um etwa zwei Stunden mehr gearbeitet als in vielen europäischen Ländern. Doch bei der Produktivität schneiden die Südkoreaner nicht so gut ab. Denn in dem asiatischen Land gibt es ein starkes Obrigkeitsdenken. Die Angestellten verlassen erst das Büro, nachdem der Chef gegangen ist.

Einen Eindruck über die Produktivität einer Volkswirtschaft erhält man, indem man das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigem misst. Solche Daten werden von Eurostat und der EU-Kommission veröffentlicht. Liegt der Index eines Landes über 100, so ist das BIP je Beschäftigten dieses Landes höher als der EU-Durchschnitt. Mit einem Wert von 110,5 liegt Österreich derzeit in der EU an achter Stelle. Besser sind Luxemburg, Irland, Belgien, Schweden, Frankreich, die Niederlande und Dänemark. Im Jahr 2005 hatte Österreich einen Wert von 118,4. Seitdem ist die Arbeitsproduktivität im internationalen Vergleich bei uns kontinuierlich zurückgegangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2015)

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