Ungarn: Rückkehr auf die große Bühne

Fotball 15 november 2014 Play off Ungarn Norwegen EURO 2016 Qualification play off 2 T
Fotball 15 november 2014 Play off Ungarn Norwegen EURO 2016 Qualification play off 2 T(c) imago/Digitalsport (imago sportfotodienst)
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Mit der EM-Qualifikation endet für die einstige Fußballgroßmacht Ungarn eine 30-jährige Durststrecke.

Budapest. Ungarische Fußballer werden immer noch an Ferenc Puskás, József Bozsik und Sándor Kocsis gemessen. Dabei liegen die 1950er, die goldene Zeit der „Mighty Magyars“, lange zurück. Vor allem in den vergangenen drei Jahrzehnten war die ungarische Nationalmannschaft praktisch von der Bildfläche verschwunden, auch im europäischen Klubfußball spielte Ungarn kaum eine Rolle.

Nun haben sich die Osteuropäer mit zwei Play-off-Siegen gegen Norwegen (1:0, 2:1) zum ersten Mal seit 44 Jahren und zum dritten Mal überhaupt für eine Europameisterschaftsendrunde qualifiziert. Das letzte große Turnier spielte der Vizeweltmeister von 1954 und 1958 bei der WM in Mexiko 1986 (Endstation Gruppenphase), 1972 waren die Ungarn zuletzt bei einer EM (Halbfinale) dabei.

Das nun fixierte EM-Ticket wird vor allem dem deutschen Trainerduo Bernd Storck, 52, und seinem Assistenten Andreas Möller, 48, zugerechnet. Der frühere Dortmund-Profi Storck ist seit März Sportdirektor der Ungarn, im Juli übernahm er auch den Teamchef-Posten von Pal Dardai, der zu Hertha Berlin abgewandert war.

Storck und Möller vertrauten im Tor wie gewohnt auf Gábor Király, der bei der Endrunde in Frankreich im kommenden Sommer 40 Jahre alt sein wird. Mit seinen zahlreichen Paraden hatte der Routinier großen Anteil am Play-off-Erfolg über die mit etlichen Profis aus der deutschen Bundesliga gespickten Norweger. Im ungarischen Kader findet sich niemand, der regelmäßig in den europäischen Topligen aufläuft.

Dass die Erfolgsbetreuer Storck und Möller auch in Frankreich auf der Trainerbank sitzen werden, steht erst seit Kurzem fest. Am Montag, dem Tag nach dem Erfolg in den EM-Play-offs gegen Norwegen, einigte sich der ungarische Verband mit Storck und seinen Co-Trainern Möller und Holger Gehrke auf eine Zusammenarbeit bis zum Ende der Europameisterschaft.

Orbáns Fußballpläne

Auch als als Sportdirektor wird Storck bleiben. Er soll dem ungarischen Fußball wieder zum Aufschwung verhelfen. „Der Verband hat so viel investiert in den vergangenen Jahren, aber es kam nie etwas dabei heraus. Das ist jetzt der nächste Schritt“, meinte Storck.

Seit 2010 hat der einstige Amateurspieler und derzeitige Ministerpräsident Viktor Orbán 500 Millionen Euro Steuergeld in den ungarischen Fußball gepumpt. Doch abgesehen vom entscheidenden Play-off-Heimspiel gegen Norwegen in der ausverkauften Groupama-Arena in Budapest bleiben die Zuschauer aus. Zahlreiche Fangruppen boykottieren die Liga. Sie kritisieren die Überwachung mittels eines landesweiten ID-Systems und verstehen die mit Steuermillionen errichteten modernen Arenen als unnötigen Luxus in dem ohnehin armen Land.

Tatsächlich fließt ein Großteil der Mittel in Stadionprojekte. Das umstrittenste ist wohl die 4000 Zuschauer fassende Pancho-Arena in Felcsut, dem 1700-Einwohner-Ort, in dem der Staatschef teilweise aufwuchs. Benannt ist das Stadion – wie sollte es anders sein – nach Puskás. Als der ungarische Starkicker bei Real Madrid spielte, war „Pancho“ sein Spitzname.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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