Warum Business-Pläne Blödsinn sind

Kolumne "Hirt on Management". Folge 8. Was Unternehmen wirklich benötigen, um zu wachsen.

In unserer Rubrik "Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte- und berater, Executive Coach und Keynote Speaker, alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Frage:Ich bin Manager in der Österreich-Tochter eines globalen Unternehmens. Mir kommt das alljährliche Ritual der Erstellung, endlosen Perfektionierung und Präsentation unserer Businesspläne für das nächste Jahr immer sinnentleerter vor. Und im nächsten Jahr versuchen wir diese Businesspläne dann auf Punkt und Komma einzuhalten, obwohl alle genau wissen, dass die Umstände sich komplett geändert haben und es vollkommen unproduktiv ist, sich mit diesen alten Zahlen zu beschäftigen. Was halten Sie davon?

Michael Hirt antwortet: Ich kann Ihnen nur zustimmen. In den Zeiten in denen wir jetzt leben, die von Diskontinuitäten und Disruption geprägt sind, sind Businesspläne altmodischer Mist - oder freundlicher formuliert, ein Anachronismus.

Die ganze Sache kommt mir bisschen so vor, wie wenn wir uns auf die Eroberung des Weltalls begeben und dabei die Karten verwenden, die Christoph Kolumbus für seine Entdeckungsreisen verwendet hat. Nette, farbenfrohe Karten, die aber heute vollkommen nutzlos sind.

Drei Dinge, die man wirklich braucht

Was zählt, um sich in dynamischen Märkten erfolgreich weiterzuentwickeln, ist kein Businessplan, sondern ein ausgezeichneter Marketing- und Vertriebsplan, der wirklich auf einem tiefen Verständnis des Marktes, der Kunden und der für die Umsetzung benötigten Ressourcen beruht und der ermöglicht, das Maximum aus den Marktchancen herauszuholen.

Dann braucht man eine Break-Even-Rechnung, damit man weiß, wie viel Umsatz man machen muss, um seine Kosten zu decken, also zumindest zu überleben.

Drittens benötigt man eine möglichst agile aufgestellte Organisation, um sich an die sich schnell ändernden Anforderungen des Marktes anpassen zu können und auch kostenseitig mit den Marktveränderungen „mitatmen“ zu können.

Es geht also darum, dass die Produktion und Organisation schnell ausgebaut werden kann, wenn es notwendig ist, weil es vom Markt gefordert wird und daher schnell zusätzliche Ressourcen und Expertise gebraucht werden. Andererseits muss es möglich sein, die Produktion und Organisation schnell wieder abzubauen, bzw. ihren Umfang zu reduzieren, wenn die Marktsituation sich ändert.

Einatmen, ausatmen

Die Organisation funktioniert dann so ähnlich wie eine Lunge und verändert ihr Volumen mit dem ein- und ausatmen. Das erreicht man zum Beispiel durch den verstärkten Zukauf von externen Dienstleistungen und den Einsatz von Freelancern und Zeitarbeitern, weil sonst  mangels Agilität und Flexibilität, das Risiko des Scheiterns für die gesamte Organisation einfach zu hoch wird.

Es ist derzeit noch schwierig, solche atmenden Organisationen aufzubauen, weil insbesondere unser Arbeitsrecht und auch die Logik vieler Arbeitnehmervertreter auf den Rahmenbedingungen der 1960er- und 1970er-Jahre beruhen, in denen das Beschäftigungsmodell der industriellen Vollbeschäftigung zum Dogma erhoben wurde.

Die Zeiten haben sich aber geändert und um wettbewerbsfähig zu sein, müssen sich auch die Unternehmen und die Arbeitnehmer verändern, sonst werden sie einfach wie die Dinosaurier von diesem Planeten verschwinden.

Ein Beispiel, wo es gelungen ist, alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass es in Ihrem eigenen Interesse ist, an einer Flexibilisierung mitzuwirken, ist Doka, ein weltweit führender Hersteller von Schaltungstechnik für den Betonbau, eine Division der österreichischen Umdasch-Gruppe unter der Führung von Andreas Ludwig.

Das Wichtigste in Kürze

Es geht nicht darum, auf naiven, linear-extrapolierten Wachstumsannahmen beruhende Businesspläne, nach Punkt und Komma bürokratisch abzuarbeiten, sondern mit einer möglichst agilen und atmenden Organisation, gut vorbereitet, Marktchancen erfolgreich wahrzunehmen.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 10. Dezember zur Frage: Warum Führung ein Vollkontakt-Sport ist.

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

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Dr. Michael Hirt, geboren 1965 in Wien, ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu schnellen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, Kanada (McGill) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

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