Der Jedermann für jedermann

Peter Simonischek liebt die Rolle und überzeugt völlig in ihr.

Der „Jedermann“ ist die Cashcow der Salzburger Festspiele und immer ausverkauft. Seit der Gründung des Festivals lockt er die Scharen auf den Domplatz: Nicht wenige „Reiche“ sehen beim Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes zu, d.h., sie wollen wissen, wie es mit ihresgleichen enden wird. Das ist das wahre Paradoxon des „Jedermann“. Einer der besten Jedermann-Darsteller aller Zeiten ist der gebürtige Grazer Peter Simonischek (62), der an Peter Steins Schaubühne in Berlin Karriere machte.

Vor zehn Jahren kam er ans Burgtheater. Simonischek ist als Jedermann ein Könner und ein überzeugender Repräsentant für die Figur, die er nicht als Folklore oder Garnierung einer erfolgreichen Laufbahn betrachtet, sondern mit seiner gesamten künstlerischen Potenz ernst nimmt. Das kommt der Aufführung zugute. Man hat das Gefühl: Simonischek mag es, den Jedermann zu spielen. Er liebt auch das Drumherum, die Prominenz, den Society-Rummel, er zeigt sich in Salzburg, wird gesehen – und das sieht man wiederum gern beim Festival.

Seit 2002 spielt Simonischek den Jedermann. Er hat die Rolle am längsten. Im achten Jahr war es nur eine Frage der Zeit, wann die Ablöse kommt. Den Jedermann kann man auf vielerlei Weisen spielen: ironisch wie Gert Voss, lebenssprühend wie Klaus Maria Brandauer, sprachgewaltig wie Alexander Moissi – oder man verlässt sich auf seine Ausstrahlung wie Curd Jürgens. Simonischek ist der Jedermann für jedermann. Jeder kann sich mit ihm identifizieren. Er weckt Sympathie, selbst in der Härte seiner Hybris, er weckt Mitleid, wenn es mit ihm zu Ende geht. Einen richtig modernen Jedermann hat es noch nie gegeben.

So gesehen ist die Entscheidung der Festspiele für Nicholas Ofczarek (38) und Birgit Minichmayr kühn. Das jüngere Festspielpublikum wird sich mit ihnen stärker identifizieren als mit einigen der Vorgänger. Hier ist nicht mehr das traditionelle Modell „alter Mann, junge Frau“ zu besichtigen, sondern man sieht zwei Gleichgesinnte. Am nächsten kommt Ofczarek altersmäßig noch Ulrich Tukur. Die spannende Frage wird sein, wie weit kann und darf das neue Paar im sehr traditionellen Design des „Jedermann“ punkten? Denn das wird sich nicht ändern. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2009)

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