Dänemark stimmt über mehr EU-Kooperation ab

Police secures a road near Sandholm asylum centre in Birkeroed
Police secures a road near Sandholm asylum centre in Birkeroed(c) REUTERS (SCANPIX DENMARK)
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Die Bevölkerung stimmt über die Zusammenarbeit im Justizbereich ab. Bei einem Nein wird das Land voraussichtlich aus der Polizeikooperation fallen.

Stockholm/Kopenhagen. Es wird ein spannendes Referendum, auf das am heutigen Donnerstag ganz Europa blickt: Die traditionell EU-skeptischen Dänen stimmen darüber ab, ob sie sich im Bereich Justiz und Inneres künftig doch an der Zusammenarbeit in der Union beteiligen wollen. Ähnlich wie Großbritannien wurden Dänemark in der EU bisher viele Ausnahmeregeln zugestanden – nach einem Nein des Volkes zum Maastricht-Vertrag im Jahr 1992 waren es insgesamt vier. Demnach kann eine Unionsstaatsbürgerschaft nicht die dänische Staatsbürgerschaft ersetzen. Dänemark muss auch den Euro nicht einführen, und die nationale Zentralbank behält die Hoheit über die Geldpolitik, wenngleich diese eng an den Euro gekoppelt ist.

Zudem nimmt das Land bisher eben nicht an der europäischen Sicherheits- und Justizzusammenarbeit teil – jener besonders nach den Terroranschlägen von Paris heikle Punkt, um den es in der Volksabstimmung geht. Bei einem Ja wird das Land Teile der Ausnahmeregelungen im Justizbereich aufgeben und die entsprechenden EU-Normen in nationales Recht umsetzen. Bisher konnten die Dänen über zwischenstaatliche Abkommen an der mit deutlicher Mehrheit erwünschten europäischen Polizeizusammenarbeit teilnehmen.

Laut der bürgerlichen Minderheitsregierung von Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen muss das Königreich zumindest Teile der EU-Justiznormen übernehmen, weil es sonst 2016 aus Europol herausfällt: Die Polizeizusammenarbeit soll künftig direkter aus europäischen Institutionen heraus gesteuert werden. Da könne das Land nicht mit bestehender Ausnahmeregel teilnehmen, argumentiert Rasmussens Venstre-Partei.

Asylrecht wird nicht angetastet

Insgesamt sollen bei einem Ja 22 von 50 EU-Rechtsnormen national übernommen werden. Dabei geht es neben dem Bereich der polizeilichen Kooperation auch um EU-Richtlinien zum Strafrecht.

Hinzu kommen 15 Richtlinien zum Zivil-, Familien- und Handelsrecht – unter anderem grenzüberschreitende Ansprüche bei Insolvenzen, der Wettbewerb, die europaweite Zusammenarbeit von Gerichtshöfen sowie die Einforderung von Unterhaltszahlungen im EU-Ausland. Das restriktive dänische Asylrecht wird hingegen nicht angetastet, verspricht Rasmussen.

Ausgang völlig ungewiss

Eigentlich sind all diese Punkte kaum strittig und vorteilhaft für Dänemark. Auch fast alle anderen großen Parteien werben für ein Ja beim Referendum. Entsprechend hatte noch vor Monaten eine große Mehrheit von 52 zu 21 Prozent angegeben, mit Ja zu stimmen. Doch mit der Flüchtlingskrise, der wachsenden Terrorangst und Großbritanniens Vorstoß zur Flexibilisierung der EU, der von Kopenhagen gestützt wird, könnte es doch noch knapp werden. Laut dem Durchschnittswert der letzten Umfragen stehen 34,8 Prozent auf der Ja-Seite 33,4 Prozent auf der Nein-Seite gegenüber. 31,8 Prozent sind vor allem wegen der Komplexität des Abstimmungsinhaltes unentschieden.

Vor allem die nationalistische Dänische Volkspartei (DF), die Rasmussens Minderheitsregierung als stärkste Kraft im rechten Block stützt, wirbt für ein Nein. Sie befürchtet, dass Dänemark – trotz Rasmussens Versprechens – letztlich doch Abstriche bei seiner strengen Ausländerpolitik und in anderen Hoheitsbereichen machen wird. Man könne den anderen Parteien nicht vertrauen, dass sie nach einem Ja beim Volksentscheid wirklich Wort halten werden, so etwa der DF-Spitzenpolitiker Morten Messerschmidt.

Dänemark könne seine Europolzusammenarbeit sehr wohl weiterhin, ähnlich wie die Nicht-EU-Mitglieder Schweiz und Norwegen, mit bilateralen Abkommen fortsetzen. Alles andere sei Propaganda der Ja-Seite. Im Windschatten eines möglichen Kniefalls der EU vor weiteren britischen Sonderwünschen dürfte dies nicht allzu schwer durchzusetzen sein, obwohl Dänemark als EU-Land eigentlich mehr Verpflichtungen hat als Norwegen und die Schweiz, so der Tenor der DF.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

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