Mitra Kotte: Großes Gespür für Schubert

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Pr�chtiges Erbe - Theophil Hansen und die Wiener Ringstra�e(c) ORF
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Die Wiener Nachwuchspianistin Mitra Kotte bot ihrem Publikum einen kernigen Mozart und einen intensiven Schubert.

Es ist eines jener Schubert-Klavierstücke, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen können. In ruhigem Es-Dur entspinnt sich ein schlichtes gesangliches Thema, das rondoartig noch zweimal wiederkehrt, durch die Episoden im nahen c-Moll und im fernen as-Moll aber nachhaltig seiner Unschuld beraubt – und die Idylle als Trug entlarvt wird. Es endet in einem der resignativsten Dur-Schlüsse, die Schubert komponiert hat – wenn dieses zweite der drei Klavierstücke D946 so intensiv und verständig musiziert wird wie am Dienstag von Mitra Kotte im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins.

Die Nachwuchspianistin hat es sich schwer gemacht und für ihren Auftritt in der Reihe „Tasten.Lauf“ kein Zirkusprogramm, sondern Mozart und Schubert gewählt. Bei Mozart (Sonaten Es-Dur KV 282 und a-Moll KV 310, dazu die Duport-Variationen und das D-Dur Rondo KV 485) pflegt sie einen angenehm direkten, unaufgeregten Stil. Hier wird nichts überfrachtet oder betulich aufgeladen, sondern das gespielt, was Sache ist. Kotte lässt ihren Mozart von innen heraus leuchten, und deshalb strahlt er umso schöner. Überhaupt ist es schon bemerkenswert, wie diese junge Pianistin es versteht, einem Stück genau das zu geben, wonach es zu verlangen scheint. Mozart einen kernigen, selbstbewussten Ton und viel Spielfreude (bei den Duport-Variationen noch eine gehörige Portion kecken Humors); Schubert ein tiefes Verständnis für das, was sich bei diesem Komponisten – vor allem harmonisch – an Ungeheuerlichem abspielt.

Den Charakter genau getroffen

Kotte dringt tief zum Wesen dieser drei Klavierstücke vor und bewahrt dabei eine staunenswerte Übersicht innerhalb der Stücke, aber auch den ganzen kleinen Zyklus überspannend, wenn sie etwa das dritte Klavierstück in C-Dur als die Verzweiflung streifende, von nervöser Rastlosigkeit getriebene Antwort auf das eingangs beschriebene zweite anlegt, das zu Recht Zwischenapplaus erntete. Auch bei den vier Schubert-Liedern zuvor (genial für Klavier bearbeitet von Franz Liszt) traf sie den jeweiligen Charakter passgenau, mit erschütternd intensiver Steigerung beim „Gretchen am Spinnrad“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

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