Wenn die Gier „ihr Gesicht“ verliert

Martin Shkreli departs the U.S. Federal Court in New York
Martin Shkreli departs the U.S. Federal Court in New York(c) REUTERS (LUCAS JACKSON)
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Das FBI ermittelt gegen Martin Shkreli, den umstrittenen Bad-Boy der US-Hedgefondsszene. Nach der Verhaftung ist er auf Kaution wieder frei – die Anklage scheint ihm sicher.

New York. Wenn jemand als Spekulant weit über die USA hinaus den Hass der breiten Masse auf sich gezogen hat, dann Martin Shkreli. Jetzt haben die Kritiker seiner Geschäftspraktiken allen Grund zum Jubeln: Der Hedgefondsmanager, der als Pharma-Bad-Boy traurige Berühmtheit erlangt hat, wurde Donnerstagnacht unter Betrugsverdacht vom FBI festgenommen.

Inzwischen ist Shkreli wieder frei – nach fünf Millionen Dollar Kaution. Ein Klacks für den Mann, dessen Vermögen auf 100 Millionen Dollar geschätzt wird. Da zählte die – vorläufige – Freiheit mehr: „Bin froh, wieder zu Hause zu sein“, twitterte der 32-Jährige. Eine Anklage ist ihm freilich sicher – bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft. Die verdiene er, heißt es in schadenfrohen Postings.

Dabei hatte alles wie der amerikanische Traum begonnen: Der Sohn albanisch-kroatischer Einwanderer startete 2006 als Collegestudent mit 17 Jahren seinen ersten Hedgefonds, Elea Capital. Eine Verurteilung, Schulden von 2,3 Millionen Dollar bei Lehman Brothers zu begleichen, ignorierte er – stattdessen gründete er den nächsten Hedgefonds MSMB.

2011 wechselte er in die Pharmabranche und gründete die Firma Retrophin. Das Geschäftsmodell versprach fette Gewinne: Der findige Jungmanager kaufte mit der Firma ältere, selten verwendete Medikamente auf, um sie dann als teure Spezialpräparate zu vertreiben. Nach drei Jahren kam es zum Krach: Der Aufsichtsrat entließ ihn mit dem in einer Klage formulierten Vorwurf, er habe seine Pflichten gegenüber der Firma verletzt.

Firma um Firma

Shkreli legte danach erst richtig los: Flugs gründete er eine neue Firma, Turing Pharmaceuticals, und stellte 90 Millionen Dollar Risikokapital auf. Das Gros steckte er in die Produktionsrechte des Medikaments Daraprim, ein Mittel gegen Infektionen bei HIV-Patienten, dessen Patentschutz ebenfalls schon abgelaufen war. Daraprim machte Shkreli endgültig berühmt – allerdings nicht als Wohltäter, sondern als skrupelloser Abzocker, was ihm den zweifelhaften Titel „meistgehasster Manager der USA“ einbrachte. Turing schraubte nämlich den Preis für das Medikament von 13,50 auf 750 Dollar hoch. Was im Netz einen wahren Shitstorm auslöste, war nicht nur der Preis. Auch Shkrelis arrogante Reaktion sorgte für scharfe Kritik – auch von US-Politikern.

Shkreli kratzte das alles nicht – vielmehr verschaffte er sich als neuer Boss der Ende November gekauften Kalo Bios Pharmaceuticals die Rechte an Benznidazol, einem Mittel gegen die Chagas-Krankheit. Auch bei diesem Präparat hatte er hohe Preisvorstellungen, sollte er die Zulassung in den USA erhalten.

Das scheint jetzt allerdings fraglich, obwohl es bei der Verhaftung laut der New Yorker Staatsanwaltschaft um Anschuldigungen aus seiner früheren Zeit als Chef von Retrophin geht. Shkreli soll in seinem Hedgefonds über die Jahre mehrere Millionen Dollar von Investoren verloren haben. Auch habe er damit persönliche Ausgaben finanziert. Zum Teil seien nur wenige hundert Dollar übrig gewesen. Später habe Shkreli die Löcher mit neuen Investorengeldern und mit Geld von Retrophin gestopft. Zudem soll er Investoren über die Größe und die Gewinne des Fonds belogen haben. Staatsanwalt Robert Capers sprach von einem betrügerischen Schneeballsystem, mit dessen Hilfe Shkreli rund elf Mio. Dollar gestohlen haben soll.

Jetzt hat das „Gesicht der Gier“, wie er bei der Festnahme von Aktivisten beschimpft wurde, jedenfalls genug Zeit, das neue Album der Rap-Band Wu-Tang Clan zu hören. Für das einzige Exemplar zahlte Shkreli bei einer Auktion zwei Mio. Dollar. Damals sagte er, er habe keine Eile, es zu hören. (ag./eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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