Staatsoper: Das hehrste Wunder

Nie wieder Sieglinde: Waltraud Meier (liegend) mit Watson als Brünnhilde, Ventris als Siegmund.
Nie wieder Sieglinde: Waltraud Meier (liegend) mit Watson als Brünnhilde, Ventris als Siegmund.(c) Staatsoper/Pöhn
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Waltraud Meier verabschiedete sich fulminant von der Sieglinde – in einer packenden „Walküre“.

Musikalisch und inhaltlich eine Schlüsselstelle im dritten Aufzug der „Walküre“: „O hehrstes Wunder!“, bricht es aus Sieglinde hervor, die sterben wollte, nun aber, da sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hat, eine bessere Zukunft aufkeimen fühlt. Bei Waltraud Meier kam die weit ausschwingende, edle Phrase, von Adam Fischer am Pult des prächtig musizierenden Staatsopernorchesters sensibel gestützt, gar nicht auftrumpfend siegesgewiss und stimmprotzerisch; eher wie ein zarter Hoffnungsstrahl, tragfähig, aber zurückgenommen, nachdenklich fast – und gerade durch diese Anmutung von Intimität so berührend. „Liebeserlösung“ nannte Hans von Wolzogen das Motiv in seinem von Wagner eher erduldeten als bedankten „Thematischen Leitfaden“ durch den „Ring“: Es markiert eine Verheißung, die bezeichnenderweise nicht mit Siegmunds und Sieglindes Inzestspross Siegfried, sondern erst mit Brünnhildes Opfertod in der „Götterdämmerung“ wiederkehrt.

Nach Isolde die nächste Dernière

Als Sieglinde wird Waltraud Meier hingegen nicht mehr wiederkehren – eine Partie, mit der die Mezzosopranistin 1992 in der Wiener Premiere von Adolf Dresens „Walküre“-Inszenierung unter Christoph von Dohnányi erstmals im Sopranfach reüssiert hat. Nach ihrer letzten Isolde im vergangenen Juli in München ist es der zweite einschneidende Abschied von einer zentralen Rolle im Repertoire der großen Sängerin. Dass das Publikum freilich keineswegs nur in Erinnerungen schwelgen musste, um sich für Begeisterungsstürme zu motivieren, zählt zu den erfreulichsten Tatsachen dieser persönlichen Dernière. Denn mag auch Meiers Stimmvolumen etwas kleiner geworden und eine Prise mehr Härte im Klang vernehmbar sein, ist gerade ihre Sieglinde insgesamt fulminant geblieben. Geht es in der Oper um das Singen? Selbstverständlich – aber mehr noch um Vortragskunst. Auf die dramatische Durchdringung des Gesangs kommt es an, und was intelligente, plastische Textbehandlung anlangt, sehen neben Waltraud Meier so manche brave jüngere Kräfte gehörig alt aus.

Nicht etwa Michaela Schuster: Deren tief verletzte, zürnende Fricka ist ein musikdramatisches Lehrstück, auch Ain Angers Hunding trägt seine Brutalität höchst effektiv auf der Zunge. Aber sowohl ein verdienter Siegmund wie Christopher Ventris als auch eine gestandene Brünnhilde wie Linda Watson wirken dagegen etwas oberflächlich und austauschbar – mag sie gemeinsam mit Tomasz Konieczny im dritten Aufzug auch über sich hinauswachsen. Der Bariton ist unter allen bedeutenden Sängern, die im „Ring“ vom Stimmklang her für den Alberich prädestiniert sind, nach wie vor jener, der den eindrucksvollsten Wotan singen kann: eine mögliche, keine ideale Variante. Doch Oper ist im Idealfall mehr als die Summe ihrer Teile. Dass sich diese nahezu alle am korrekten Platz und in der richtigen dynamischen Spannung zueinander befanden, bot die Grundlage. Dass Adam Fischer mit dem Orchester darüber hinaus eine dramatisch packende und doch differenzierte Lesart wie aus einem Guss gelang, war mit Anlass zum langen Jubel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)

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