Dänemark: Eigentumsentzug bei Flüchtlingen

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Die EU-Kommission will die umstrittene dänische Gesetzesinitiative prüfen, Bargeld und Wertgegenstände von Flüchtlingen zu beschlagnahmen.

Brüssel/Kopenhagen. Die dänische Regierung will trotz Kritik aus den eigenen Reihen und trotz internationaler Proteste an ihren Plänen festhalten. Am 26. Jänner soll ein Gesetz verabschiedet werden, das es den Behörden erlaubt, das Gepäck von Flüchtlingen zu durchsuchen und Bargeld sowie Wertgegenstände ab einem Gesamtwert von 10.000 Kronen (1340 €) zu beschlagnahmen. Das Geld soll für Unterbringung und Verpflegung der Asylsuchenden aufgewendet werden.

Der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans hat nun eine Prüfung dieses Gesetzes angekündigt. Es besteht nämlich die Gefahr, dass Dänemarks Gesetz den europäischen Grundrechten, wie sie im Lissabon-Vertrag verankert sind, widerspricht. Die EU-Grundrechtscharta sieht das Verbot des Entzugs von Eigentum vor und lässt nur wenige Ausnahmen im öffentlichen Interesse gelten.

Die Annahme des Gesetzes gilt nach einem Kompromiss zwischen der liberal-konservativen Regierung und der sozialdemokratischen Opposition als sicher. Allerdings wächst auch die Kritik in den eigenen Reihen. Zehn Abgeordnete der regierenden Venstre-Partei von Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen sprachen sich in einem am Mittwoch erschienenen Beitrag für die Zeitung „Berlingske“ gegen die Gesetzesinitiative aus. Sie sehen nicht nur die Frage der Menschlichkeit berührt, sondern auch Dänemarks Ruf in der Welt.

Als Abschreckung gedacht

Die Verfechter des Gesetzes räumen ein, dass der Einzug von Geld und Wertgegenständen nicht aufgrund von finanziellen Problemen des Staates erfolgt, sondern als Signal gedacht ist, Asylsuchende davon abzuhalten, nach Dänemark zu kommen. International sorgten die Pläne in den vergangenen Wochen für Empörung. Es wurden sogar Vergleiche mit der Nazi-Zeit gezogen. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) warnte davor, dass ein solches Gesetz vor allem die Angst und die Fremdenfeindlichkeit in Dänemark schüren könnte.

Dänemark, das zuletzt Grenzkontrollen an den Übergängen zu Deutschland eingeführt hat, registrierte im vergangenen Jahr rund 21.000 Asylwerber. Im benachbarten Schweden waren es hingegen 163.000. Restriktive Gesetze wie der Entzug von Eigentum, aber auch ein erschwerter Familiennachzug sollen den Flüchtlingsstrom weiter eindämmen.

Zuletzt hat Ministerpräsident Rasmussen eine Änderung der Genfer Flüchtlingskonvention gefordert. Wenn Europa den unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen nicht bewältige, müsse über deren Rechte diskutiert werden, sagte er in einem Fernsehinterview. „Es wird so kommen, dass wir darüber reden müssen, . . . ob wir die Spielregeln ändern.“ Für seinen Versuch, das internationale Asylrecht einzuschränken, hofft Rasmussen auf Hilfe der EU-Partner. „Dänemark kann das nicht allein“. (ag./wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)

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