Integration: Lehrer sehen Wiener Pflichtschulen "an Grenze"

(c) Die Presse (Fabry)
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"Die Belastung der Lehrer steigt täglich, während die Unterstützung im benötigten Ausmaß oftmals ausbleibt", kritisieren Wiener Lehrervertreter.

Dass die Schulen wegen der Flüchtlingskrise mit Herausforderungen konfrontiert sind, ist nicht neu. Doch nun schlagen erstmals die Lehrer öffentlich Alarm: Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingskindern würden Wiens Pflichtschulen an ihre Grenzen stoßen, heißt es in einem Brief der Gewerkschaft an Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ).

„Ohne zusätzliche Unterstützung ist die Arbeit höchstens eine kurze Zeit mit Abstrichen für alle machbar“, schreibt der oberste Wiener Personalvertreter Stephan Maresch (FCG). Er fordert dringend mehr Unterstützung vom Bildungsministerium. „Über einen längeren Zeitraum gesehen überfordert diese Situation bei aktuellen Rahmenbedingungen den Schulbereich bei Weitem.“ Unterstützendes Personal sei an den Schulen kaum vorhanden. Schulen würden dringend Übersetzer benötigen. Lehrerkollegen würden über den Umgang mit traumatisierten Kindern berichten, jedoch kaum Unterstützung durch durch Psychologen erhalten. Administrative Aufgaben müssten unter schwierigen Bedingungen (Sprachbarrieren, fehlende Dokumente) von Direktoren erfüllt werden.

„Auf diese Weise sinkt die Qualität des Unterrichts – und damit sinken die Zukunftschancen aller Kinder.“ Auch auf Bundesebene hagelt es seitens der Lehrer Kritik: „Ich würde mir vonseiten des Ministeriums viel mehr Unterstützung wünschen, da kommt viel zu wenig: Das Einzige, was wir im Sommer bekommen haben, ist ein Leitfaden. Und dieser hilft uns an den Schulen beim besten Willen nicht weiter“, sagt Pflichtschullehrervertreter Paul Kimberger. Ihm fehle eine Strategie. Derzeit basiere viel auf Eigenengagement der Lehrer. Sein Appell richte sich nicht nur an das Bildungs-, sondern auch an das Finanzressort: „Ja natürlich, das ist ein Appell an die gesamte Regierung.“

Mobile interkulturelle Teams in Schulen

Die Regierung hat erst diese Woche den mit 75 Millionen Euro dotierten Integrationstopf verteilt, durch den Mehrkosten, die durch die Flüchtlingskrise entstehen, abgedeckt werden sollen. Das Bildungsministerium hat 24 Millionen Euro zugesprochen bekommen. Ein Teil soll in den Ausbau der Sprachförderung fließen. Zu den 442 Stellen kommen 200 neue hinzu. Außerdem wird es erstmals mobile interkulturelle Teams geben, die die Schulen bei der Kommunikation mit den fremdsprachigen Eltern unterstützen. Dafür sind 80 mehrsprachiger Fachkräfte vorgesehen.

In Alphabetisierungskurse werden 1200 Plätze geschaffen. Und rund zwei Millionen Euro werden in die Übergangsstufen, in denen Flüchtlinge für berufsbildende Schulen qualifiziert werden sollen, fließen. Wiens Pflichtschullehrer stellt das nicht zufrieden: Die Maßnahmen „werden zur Bewältigung der aktuellen Situation nicht ausreichen“, heißt es im offenen Brief.

Bislang wurden in den Wiener Pflichtschulen 1950 Flüchtlingskinder aufgenommen. Lehrer werden – sofern dadurch Klassenteilungen notwendig werden – vom Stadtschulrat laufend angestellt. Das funktioniert quasi über einen Automatismus. Dass die Länder ihren Bedarf an Lehrerplanstellen dem Ministerium eigentlich bis zum Stichtag, 1. Oktober, melden müssen, spielt keine Rolle. Werden im Lauf des Schuljahrs mehr Lehrer als festgelegt vom Land angestellt, dann wird das Geld später, über den Finanzausgleich, refundiert. Die Länder bleiben nicht auf Mehrkosten sitzen. Etwas anders sieht es beim Unterstützungspersonal aus. Administrative Kräfte und Sozialarbeiter müssen nämlich vom Land bezahlt werden. Nur Schulpsychologen zahlt der Bund.

(j.n./Beba)

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