Deutschland: Entsetzen nach versuchtem Granaten-Anschlag

Ermittler am Tatort in Villingen-Schwenningen.
Ermittler am Tatort in Villingen-Schwenningen.APA/AFP/dpa/PATRICK SEEGER
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Die scharfe Handgranate am Gelände eines Flüchtlingsheims in Baden-Württemberg explodierte nicht, es kam niemand zu Schaden.

Unbekannte haben in der Nacht zum Freitag einen Handgranaten-Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen verübt. Die Granate sei mit Sprengstoff gefüllt gewesen, aber nicht explodiert, erklärte die Polizei in Tuttlingen. Experten untersuchten derzeit, ob sie einen Zünder enthalten habe und sprengfähig gewesen sei. Berichte, wonach der Sicherungsstift gezogen war, bestätigte ein Sprecher nicht. Dies werde noch geprüft. Bundesjustizminister Heiko Maas verurteilte die Tat scharf. "Das Ausmaß der Gewalt ist erschreckend", erklärte der SPD-Politiker in Berlin. "Wir können alle nur dankbar sein, dass dieses Mal niemand verletzt wurde."

Mitarbeiter eines Wachdienstes entdeckten den Sprengsatz gegen 1.15 Uhr, wie die Polizei mitteilte. Experten des Entschärfungsdienstes beim Landeskriminalamt Stuttgart hätten die Handgranate dann am frühen Morgen noch auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft gesprengt. 20 Bewohner hätten dafür kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen müssen. Derzeit seien in den Gebäuden in einer ehemaligen französischen Kaserne 104 Menschen untergebracht. Die Polizei korrigierte damit frühere Angaben, wonach 176 in der Unterkunft lebten. Man habe keinen aktuellen Stand gehabt, da sich die Zahlen täglich änderten.

Bisher kein Hinweis auf Täter

Spezialisten nähmen momentan die Überbleibsel der Granate unter die Lupe, sagte der Polizeisprecher. Auch die Umgebung des Tatortes werde abgesucht. Angriffe auf Ausländer habe es in der Stadt in der Vergangenheit nicht gegeben." Diese Anschläge kennen wir eigentlich nicht", erklärte der Sprecher. Hinweise auf die Täter gebe es bisher nicht. Zu Aufklärung des Falles habe die Kriminalpolizei in Rottweil eine Sonderkommission mit dem Namen "Container" eingerichtet.

Am Mittwoch hatte es im Zusammenhang mit einer Razzia gegen die Betreiber des rechtsextremistischen Internet-Portals "Altermedia Deutschland" auch Durchsuchungen in dem Schwarzwald-Ort St. Georgen gegeben, der nur 15 Kilometer von Villingen-Schwenningen entfernt liegt. Der Polizei-Sprecher konnte nicht sagen, ob hier möglicherweise ein Zusammenhang besteht.

Maas: "Nicht warten, bis es Tote gibt"

Bundesjustizminister Maas verurteilte den Anschlag von Villingen-Schwenningen scharf. "Die Täter dürfen nicht ungestraft davonkommen. Sie müssen konsequent ermittelt und bestraft werden", forderte er. Die Zunahme der Angriffe auf Flüchtlinge sei dramatisch. "Die neue Qualität der Hetze und Gewalt muss allen Demokraten ein Ansporn sein, noch entschiedener für unsere offene und tolerante Gesellschaft einzutreten", mahnte der Minister. "Sprengkörper auf Flüchtlingsheime fliegen heute schon, wir dürfen nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt."

Immer häufiger werden Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland Ziel von Anschlägen. Nach einer Erhebung des deutschen Bundeskriminalamts gab es im vergangenen Jahr 1005 Attacken auf Asylunterkünfte. Davon hatten 901 einen eindeutig rechtsradikalen Hintergrund. Die Zahl hat sich damit binnen eines Jahres verfünffacht: 2014 waren es noch 199 Attacken.

(APA/Reuters)

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