Kinderbuch-Nostalgie – und was dagegen hilft

Doktor Dolittle und Kater Mikesch, Wickie und Wock: Von berühmten Jugendbuchpreisträgern und Listen gegen das Vergessen toller Literatur.

Kinderbuchpreise sind wichtig, Michael Ende kann das bezeugen. Für den ersten Band von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ erhielt er den Deutschen Jugendbuchpreis; angeblich erfuhr er es am selben Tag, an dem ihn seine Vermieterin delogieren wollte, weil er seine Miete monatelang nicht bezahlt hatte. Darüber musste er sich dann nicht mehr sorgen – zumal „Jim Knopf“ noch weitere Preise erhielt.

Nun sind die neuen österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreisträger bekannt. Neben dem reizvoll schrägen Kinderbuch „Der verliebte Koch“ und zwei Jugendromanen hat ein Sachbuch über ein Schnupfenvirus gewonnen. Kinderbuchschreiber wurden ja immer schon von der Öffentlichkeit ungerecht behandelt, die Illustratoren noch mehr – allein schon indem ihre Namen stets an zweiter Stelle angeführt sind; im Fall von „Willi Virus“ (Leonora Leitl) ganz unverdient.

Schöne Bücher sind das, wenn auch wohl keine Maßstäbe setzenden Meisterwerke. Solche findet man unter den Kinderbuchpreisträgern der Vergangenheit selten, aber doch. Seit 1922 gibt es in den USA die Newbery Medal für das beste Kinderbuch, einer der ersten Preisträger ist heute ein Klassiker: Hugh Loftings „The Voyages of Doctor Dolittle“, der zweite Band seiner „Dolittle“-Reihe.

Lässt man die viel jüngeren österreichischen und deutschen Kinderbuchpreise seit ihren Anfängen in den Fünfzigerjahren Revue passieren, stößt man in Österreich unter anderem auf „Das kleine Ich bin Ich“, in Deutschland auf Janoschs „O, wie schön ist Panama“ oder Otfried Preußlers „Krabat“.

Für die deutsche Nacherzählung von Josef Ladas großartigem „Kater Mikesch“ bekam Preußler schon 1963 den Deutschen Jugendbuchpreis. Kurz danach lobte er in einer Rezension begeistert das Werk eines Kollegen: „Eine herrlich lustige Geschichte, in der Krieg und Kriegertum im Allgemeinen und die alten Wikinger im Besonderen auf köstliche Art veralbert werden.“ Der parodistische Reiz dieser „Antisaga“ erschließe sich aber erst dem Erwachsenen. Gemeint war „Wickie und die starken Männer“. Es erschien 1964 zum ersten Mal in Deutschland und erhielt prompt den Jugendbuchpreis. Der große Erfolg des Buchs ist heute fast vergessen – verdrängt durch den noch viel größeren Erfolg der Wickie-Fernsehserien.

Jugendbuchpreisträger-Listen sind wunderbare Leseempfehlungen. Damit man etwa nicht auf Georg Bydlinskis und Jens Rassmus' herrliches Bilderbuch „Der Zapperdockel und der Wock“ vergisst, auch wenn es mit seinen elf Jahren auf dem Buchmarkt schon als uralt gelten kann. Bücher wie dieses sind auch ein Mittel gegen falsche Nostalgie: Es gibt heute genauso gute Kinderbücher wie vor 50 Jahren. Mindestens.

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2016)

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