OGH-Entscheidung: Wenn Anwälte mit harten Bandagen kämpfen

(c) Michaela Seidler
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Dass Anwalt Stefan Prochaska gegen Gabriel Lansky, seinen Kontrahenten in der Causa Alijew, U-Haft anregte, war laut OGH legitim – aber nicht, dass er Medienberichte darüber auf die Homepage stellte.

Wien. Wie weit darf ein Rechtsanwalt gehen, wenn er im Zuge der Verteidigung seines Mandanten gegen einen gegnerischen Anwalt einschreitet? Und inwieweit darf er sein Prozessvorbringen dann auch publik machen? Darüber hatte kürzlich der OGH zu entscheiden (4 Ob 149/15p). Sein Urteil fiel differenziert aus: Das Vorgehen des Anwalts gegen den Prozessgegner sei legitim gewesen – aber nicht, dass er dann auch Berichte darüber auf seine Kanzlei-Homepage stellte.

Es ging um einen Nebenschauplatz des Alijew-Prozesses, sattsam bekannt als Anwaltskrieg: auf der einen Seite Rachat Alijews Anwälte, auf der anderen die Rechtsvertreter der Witwen der mutmaßlichen Mordopfer und des umstrittenen Opfervereins Tadgyr. Über den Verein heißt es in dem OGH-Entscheid, dass er „tatsächlich die Interessen eines bestimmten ausländischen Geheimdienstes in Österreich abdeckt“ – gemeint ist der kasachische Geheimdienst KNB. Opferanwalt Gabriel Lansky bestreitet das vehement. Er und weitere Mitarbeiter seiner Kanzlei LGP kamen in diesem Zusammenhang ebenfalls ins Visier der Ermittlungsbehörden: Der Verdacht lautete, sie könnten über Gebühr mit dem KNB kooperiert haben, um Alijews Verurteilung zu erreichen.

Für die Ermittlungen gegen Lansky gibt es einen nicht rechtskräftigen gerichtlichen Einstellungsbeschluss (siehe auch Artikel rechts). Im Dezember 2014 war von einer Einstellung dieses Verfahrens jedoch noch keine Rede. Ein Bericht im „Kurier“ ließ damals die Wogen hochgehen: Alijew-Anwälte hätten verlangt, Lansky in Untersuchungshaft zu nehmen. Konkret ging es um einen Schriftsatz von Rechtsanwalt Stefan Prochaska, der eine solche „Anregung“ enthielt.

„Andere Rechtsmeinung“

Lansky erwirkte daraufhin beim Handelsgericht Wien eine einstweilige Verfügung gegen Prochaska. Sein Hauptargument, dem sich das Gericht anschloss: Es gebe keinen dringenden Tatverdacht gegen ihn und damit auch keinen Grund für U-Haft. Lansky verwies dazu auf einen früher ergangenen Beschluss des OLG Wien, in dem es um die Beschlagnahmung eines Servers mit Daten aus seiner Kanzlei ging. Diese Daten sicherzustellen, wäre nur bei dringendem Tatverdacht zulässig. Das OLG entschied gegen die Sicherstellung und führte aus, der Tatverdacht erreiche nicht jene „verdichtete Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung“, die einen Zugriff rechtfertigen würde.

Laut OGH war die „Anregung“ Prochaskas jedoch trotzdem legitim: Es müsse einem Anwalt freistehen, „entgegen bereits vorliegender Beurteilung eines Gerichts im Interesse seines Mandanten eine andere Rechtsmeinung zu vertreten“. Prochaskas Mandant (Alijew) habe ein nachvollziehbares Interesse daran gehabt, „dass der seine Verfolgung/Verurteilung betreibende Anwalt der Opfer seinerseits verfolgt wird“, wenn gegen ihn im Zusammenhang mit diesem Strafverfahren ebenfalls ein Verdacht bestehe. Genauso sei es im Interesse von Prochaskas Mandanten gelegen, „den mit besonders auffallender Hartnäckigkeit auftretenden gegnerischen Vertreter allenfalls auch durch die Verhängung der Untersuchungshaft ,aus dem Verkehr zu ziehen‘, jedenfalls aber in seiner gegen den Mandanten gerichteten Tätigkeit zumindest einzuschränken“.

Dass Prochaska aber die Medienberichte darüber auf seine Homepage stellte, ging dem OGH zu weit: Ein Anwalt, der das tue, wolle „das angesprochene Publikum offensichtlich davon überzeugen, wie durchschlagskräftig und unerschrocken er die Interessen seines Mandanten vertritt und auch nicht davor zurückschreckt, gegen Angehörige seines eigenen Standes einzuschreiten“. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, „dass er damit geschäftliche Interessen verfolgt“. Das Verbreiten der Presseberichte sei eine Wettbewerbshandlung, die geeignet sei, einen Mitbewerber herabzusetzen.

Was gilt als Verbreitung?

Was heißt das für die Öffentlichkeitsarbeit von Kanzleien? Auch wenn ein Schritt, den man setzt, legitim ist, darf man ihn nicht immer publizieren. Bringt das einen Mitbewerber in schiefes Licht, kann es wettbewerbswidrig sein. Dabei wertet der OGH es auch schon als „öffentliche Verbreitung“, wenn man bereits veröffentlichte Artikel aus dem Web auf die eigene Homepage stellt. Das kann auch andere Firmen betreffen, die Medienberichte auf ihrer Website wiedergeben. Wobei offen bleibt, ob der OGH an Anwälte einen besonders strengen Maßstab anlegt. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)

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