Griechenland: Bauern gehen auf die Barrikaden

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Proteste gegen Sozialkürzungen werden immer gewaltsamer: In Athen schlugen Bauern auf Polizisten mit Holzstöcken ein, Traktoren blockieren Straßen.

Athen. Die griechische Hauptstadt wurde Freitag erneut zum Schauplatz einer Revolte gegen die Linksregierung von Alexis Tsipras: Bereits in den frühen Morgenstunden reisten Bauern aus dem ganzen Land an, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Sie fordern die Rücknahme einer Steuer- und Pensionsreform, die schwere finanzielle Einbußen für sie bringt. Vor dem Landwirtschaftsministerium wurde die Lage kritisch: Kretische Bauern, die im Morgengrauen in Piräus an Land gegangen waren, warfen zunächst Tomaten, dann Steine auf das Ministerium und die Polizei; schließlich schlugen sie mit ihren Hirtenstöcken auf die überraschten Sicherheitskräfte ein – es gab verletzte Polizisten und Festnahmen.

Seit Wochen sammeln sich die Bauern an wichtigen Verkehrsknotenpunkten, unter anderem ist der Güterverkehr aus Bulgarien an der Grenze bei Promachonas blockiert. Nun wollten sie den Hauptstädtern persönlich klar machen, um was es ihnen geht. Die Polizei blockierte allerdings die Traktoren bereits auf den Autobahnen, was zu Verkehrsstaus, wütenden Protesten und Ausschreitungen führte. Zeitweise versuchten die rabiaten Landwirte gar, die Zufahrtsstraßen zum internationalen Athener Flughafen zu schließen. Schließlich aber gestattete die Polizei 20 Traktoren die Durchfahrt, sie durften bis zum zentralen Athener Syntagma-Platz vorrücken.

Zeltlager vor dem Parlament

Zur selben Zeit bauten Bauern am Syntagma-Platz vor dem Parlament Zelte auf, um gegen den von den Behörden geforderten Abzug zu demonstrieren. Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass der Platz wieder als Zeltlager für Demonstranten herhalten muss. Für den Abend war eine große Bauern-Protestkundgebung geplant, das Athener Zentrum wurde großräumig gesperrt.

Hintergrund der Proteste ist die Reform des griechischen Pensionssystems, das auf Druck der internationalen Gläubiger Griechenlands überlebensfähig gemacht werden soll. So soll eine Mindestsicherung für unversicherte Landwirte gestrichen werden, dafür aber die Bauernkasse mit den anderen Kassen fusioniert und eine Grundpension von circa 385 Euro für alle installiert werden. Dafür aber muss die Beitragsbasis verbreitert werden – momentan beträgt der staatliche Zuschuss für die Bauernkasse an die 90 Prozent. Das aber gefällt den Landwirten gar nicht. Die griechischen Regierungen freilich fallen von einem Extrem ins andere: Während es vor einigen Jahren noch über 100 Kassen gab, soll nun plötzlich eine einzige Kasse geschaffen werden. Das bedeutet, dass Bauern und Freiberufler keinen eigenen Versicherungsträger haben sollen.

Wie es mit den Protesten weitergehen wird, ist derzeit nicht absehbar. Gemäßigte Bauernvertreter halten den Sturm Athens für verfehlt, sie wollen keine Konfrontation auf der Straße, sondern Verhandlungen. Andere richten sich jedoch in ihren Zelten am Syntagma-Platz ein und wollen zumindest das Wochenende über lautstark auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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