Wo die Raubtiere bereits heimisch geworden sind

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Im Südosten Europas finden sich Europas größte Wolfsrudel außerhalb Russlands. Auch Tschechien erobert der Wolf zurück, er dringt dort vor allem von Ostdeutschland her ein und wird geschätzt, weil er das Übermaß an Schalenwild dezimiert.

Belgrad/Prag. Nur ein im Belgrader Zoo vom Wolf gebissenes Kind ließ in Serbien im Vorjahr den Blätterwald rauschen – ansonsten sorgt das auch auf dem Balkan keineswegs stets harmonische Verhältnis zwischen Mensch und Wolf trotz regelmäßiger Hirtenklagen über gerissene Schafe kaum für Wirbel.
Dabei leben in den eher dünn besiedelten Wäldern und Schluchten der Region und der Karpaten die, von Russland abgesehen, größten Wolfspopulationen Europas. Auf 3000 bis 4000 Tiere wird allein in Rumänien der Bestand des Karpatenwolfs geschätzt. Dazu kommen anderswo auf dem Balkan etwa 4000 bis 5000 weitere, das im Rudel lebende Familientier findet sich etwa in Bulgarien (1000 bis 2000), Mazedonien (etwa 1000) und Albanien (900 bis 1200). In Slowenien hat sich der Bestand binnen zehn Jahren von etwa 100 auf 250 bis 500 vergrößert. Und wie dort ist der Wolf auch etwa in Albanien und Kroatien geschützt.

Dort, wo er gejagt werden darf, suchen Tierschützer mit der Wiederaufzucht traditioneller Hirtenhunde, etwa Bulgariens wolfswiderständiger Karakatschans, die Konflikte Tier/Mensch zu mildern. In Transsylvanien (Siebenbürgen) werden indes nicht nur Ökotouren zur Beobachtung von Wolf und Bär angeboten: Für viel Geld können sich Trophäenjäger von einschlägigen Jagdreisenanbietern auch zur Wolfsjagd nach Rumänien kutschieren lassen. Die Abschussgebühr pro Wolf wird auf 1500 Euro beziffert – ohne Reisekosten und Trinkgeld für die Jagdhelfer.

Anders als etwa die Slowakei ist Tschechien hingegen arm an europäischen Raubtieren wie Wölfen, Bären und Luchsen. Letztere gibt es noch am meisten, Bären kommen gern aus der Slowakei. Die Wölfe, die sich seit einiger Zeit in Tschechien wieder ansiedeln, haben ihre Herkunft vor allem in der deutschen Lausitz und im östlichen Erzgebirge, das bis an die tschechische Grenze reicht. Immer wieder tappen Wölfe in Fotofallen, zuletzt ein Rudel in Nordböhmen am Macha-See, einer beliebten Sommerfrische der Prager.

Wölfe als Waldpfleger

Angst hat in Tschechien deswegen niemand. Eine wie zuletzt im deutschen Bundesland Sachsen medial geführte hitzige Debatte über Schäden, die sie etwa bei Schafen anrichten, gibt es nicht. Im Gegenteil: Umweltschützer begrüßen die Wiederansiedlung der Wölfe. Sie trügen dazu bei, die überdimensionierte Masse an Schalenwild zu dezimieren. Das habe positive Auswirkungen, speziell in der Forstwirtschaft: Jungbäume wüchsen in Wolfsgebieten besser, weil die Wölfe Wild vertreiben, das sich an den Jungpflanzen gütlich tut. Schafzüchter, deren Tieren von Wölfen gerissen werden, erhalten vom Staat problemlos eine Entschädigung. Ein Symbol für pure Natur stellen Wölfe in Tschechien aber nicht dar. Sie haben sich an die Kulturlandschaft gewöhnt, sind deren Gefahren (etwa Straßenverkehr) aber schutzlos ausgeliefert. Man ist dennoch sicher, dass sie in Tschechien bleiben. (ros/hjs)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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