Slowakei: Antiflüchtlingskurs soll Ficos Macht sichern

Slovak Prime Minister Robert Fico Interview
Slovak Prime Minister Robert Fico Interview(c) Bloomberg (Balazs Mohai)
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Regierungschef Fico kämpft energisch gegen die Aufnahme von muslimischen Flüchtlingen. Protestierende Krankenschwestern und Lehrer kosten ihn jedoch Zustimmung. Fico droht der Verlust seiner absoluten Mehrheit.

Bratislava. „Wir schützen die Slowakei!“, verspricht Robert Fico von großen Plakatflächen im ganzen Land. Die Gefahr, vor der der kämpferische Regierungschef sein Land schützen will, sind die „illegalen Migranten“. Sie sind seinen Worten nach die „größte Bedrohung für die Slowakei“.

Tatsächlich machten Flüchtlinge bisher einen großen Bogen um das für sie so wenig gastfreundliche Land. Nur 330 Menschen haben im gesamten Jahr 2015 hier einen Asylantrag gestellt. Mit Ausnahme von nur acht Personen wurden alle abgelehnt. Die größte Gruppe der tatsächlich im Land untergebrachten Asylwerber sind jene knapp 500, die sich eigentlich im österreichischen Asylverfahren befinden, aber aus Kapazitätsgründen nach Gabčíkovo „ausgelagert“ wurden.

Gegen die im vergangenen Jahr von den EU-Innenministern gegen den Willen der Slowakei und drei anderer Staaten (Ungarn, Tschechien und Rumänien) beschlossenen Aufnahmequoten hat die Regierung in Bratislava bereits im Dezember eine offizielle Klage beim EU-Gerichtshof eingebracht. Der Klage hat sich bisher nur Ungarn angeschlossen. Pikanterweise übernimmt die Slowakei, die sich bisher gern als EU-Musterschüler präsentiert hat, ausgerechnet während dieses Flüchtlingsstreits die EU-Ratspräsidentschaft (ab 1. Juli). Bei den slowakischen Wählern kommt Ficos migrantenfeindliche Politik jedoch bestens an.

Umfragewerte schnellten hoch

Nach den Terroranschlägen in Paris sowie den Übergriffen auf Frauen in Köln und anderen europäischen Städten schnellten Ficos zuvor schon schwächelnde Umfragewerte wieder so in die Höhe, dass eine Verteidigung seiner 2012 errungenen absoluten Parlamentsmehrheit nach den Umfragen wieder zum Greifen nahe rückte. Er hatte die Schockwirkung dieser Ereignisse nämlich geschickt ausgenützt, um sich als Sicherheitsgarant zu präsentieren: „Ich werde verhindern, dass überhaupt eine geschlossene muslimische Gemeinschaft in der Slowakei entstehen kann.“ Auch bei der Abschlusskundgebung seiner Partei Smer-Sozialdemokratie am Mittwochabend erntete er den lautesten Jubel seiner rund 4500 in eine Sporthalle in Bratislava geströmten Fans nicht mit Verweisen auf seine durchaus beachtliche Wirtschafts- und Sozialpolitik, sondern mit dem in den Saal gerufenen Versprechen: „Ich werde nicht erlauben, dass über EU-Quoten auch nur ein einziger Muslime hierhergebracht wird!“ Migrantenfreundlich sind aber auch die anderen Parteien allesamt nicht. Noch dazu ist die überwiegend christdemokratische Opposition in eine Vielzahl von Kleinparteien aufgesplittert. Neben der Fico-Partei Smer-Sozialdemokratie kandidieren noch 22 weitere Parteien, von denen die meisten nicht einmal über die Fünfprozenthürde für den Parlamentseinzug kommen dürften. Eine Ernüchterung für den Regierungschef brachten erst hausgemachte Probleme. Als im Jänner tausende Lehrer in einen landesweiten Streik traten und ganze Spitäler wegen einer Massenkündigung von Krankenschwestern in Not gerieten, fielen Ficos Umfragewerte rasch wieder und die absolute Mehrheit rückte in weite Ferne. Seit 15. Februar haben Hunderte Lehrende an den mittlerweile 20 wichtigsten Universitäten und Hochschulen die Streikstafette von den ermüdeten Lehrern der Pflicht- und Mittelschulen übernommen. „Das hat auch die Smer-Wähler darauf aufmerksam gemacht, dass es ihnen nicht wirklich so viel besser geht als vor Ficos Regierungsantritt“, erklärt Pavel Haulik, Chef der Meinungsforschungsagentur MVK.

Beachtlicher Wirtschaftserfolg

Dabei hat die Wirtschaftspolitik der seit 2012 amtierenden Alleinregierung beachtliche Erfolge vorzuweisen. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs mit nahezu vier Prozent so kräftig wie in keinem anderen Land der Eurozone. Mit Jaguar Land Rover konnte soeben der bereits vierte Autoproduzent zum Bau einer Fabrik ins Land gelockt werden. So ist auch die traditionell hohe Arbeitslosenquote kurz davor, auf einen historischen Tiefststand von erstmals unter zehn Prozent zu fallen. Und trotz großzügiger Sozialpakete für Studenten und Rentner hat die Regierung den Staatshaushalt gut im Griff. Trotzdem ist gerade die geringer verdienende Stammwählerschaft der Sozialdemokraten nicht wirklich zufrieden, denn der Wohlstand ist regional sehr ungleich verteilt.

Die letzten Umfragen lassen erwarten, dass Ficos Sozialdemokraten zwar wieder mit Abstand stärkste Partei werden dürften. Aber für eine Regierungsbildung wird sie wohl eine oder mehrere der bürgerlichen Kleinparteien als Partner brauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2016)

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