Wien: Bauordnung vor Höchstgericht

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Am Freitag wird eine Novelle beschlossen, wovon Flüchtlingsunterkünfte profitieren, FPÖ und ÖVP bereiten eine Klage vor.

Wien. Selten hat eine Novelle der Wiener Bauordnung eine derartige Diskussion ausgelöst. Konkret geht es um den §71c, der am Freitag im Landtag von Rot-Grün beschlossen wird und den Schwarz-Blau postwendend vor den Verfassungsgerichtshof bringen möchten. Die Änderungen verstoßen gegen das Legalitätsprinzip, den Gleichheitsgrundsatz und das Eigentumsrecht, so der nicht amtsführende FPÖ-Vizebürgermeister, Johann Gudenus, und ÖVP-Wien-Parteichef, Gernot Blümel, bei deren erster gemeinsamer Pressekonferenz. Auch die Neos haben verfassungsrechtliche Bedenken, werden deshalb gegen die Novelle stimmen, aber die schwarz-blaue Klage nicht unterstützen.

Hintergrund: Mit dieser Novelle können temporäre Unterkünfte schneller als bisher umgesetzt werden, wenn sie humanitären Zwecken (Flüchtlinge) oder „außerordentlichen Notfällen“ (Erdbeben, Flutkatastrophe etc.) dienen. Dafür wird manche Bestimmungen der Bauordnung gelockert. Wird das Gebäude für maximal sechs Monate errichtet, bedarf es keiner Baubewilligung. Je länger die Bauten stehen sollen (Maximum ist 15 Jahre), desto strenger werden die Bestimmungen bzw. nähern sich der regulären Bauordnung an. Wobei grundlegende Sicherheitsbestimmungen (z. B. Feuerschutz etc.) immer eingehalten werden müssen. Erleichterungen bestehen aber z. B. im Schallschutz, bei Umwidmungen oder Einsprüchen (sie haben hier keine aufschiebende Wirkung). In der Praxis werden alte Firmengebäude in Gewerbegebieten etc. leichter als temporäre Flüchtlingsunterkunft nutzbar. Wobei die Voraussetzung dafür ist, dass die temporären Unterkünfte staatlich organisiert und beauftragt sind – z. B. wenn der Staat die Caritas beauftragt.

Grün-Planungssprecher Christoph Chorherr verteidigte am Donnerstag die Novelle: Man wolle verhindern, dass, wie in manch anderen Städten, Slumsiedlungen entstehen. Dass mit diesem Paragrafen aber etwa temporäre Hochhäuser errichtet werden könnten, werde nicht kommen, erklärte er: „Idiotien sind nicht geplant.“ Möglich sei jedoch, dass auf nicht mehr genutzten Betriebsflächen ohne Umwidmung Quartiere errichtet werden. Die Regelung werde vor dem Verfassungsgerichtshof halten, zeigte sich Chorherr überzeugt, der in Kürze mit den ersten Projekten rechnet – deren Standort er allerdings nicht verraten wollte.

Unterkünfte sind keine Wohnungen

Nach Angriffen der Opposition stellte das Wohnbauressort klar: Es sei seit Langem möglich, temporär Wohnungen zu errichten – das dürfe nicht mit der jetzigen Novelle verwechselt werden. Bei Ersterem würden Wohnungen errichtet, die auf Zeit existieren, allen Wienern zur Verfügung stehen und für die die gesamte Bauordnung gelte. Auch diese Schiene soll ausgebaut werden, als Beispiel wird das neue Studentenheim in Aspern genannt. Die jetzige Novelle dagegen betreffe keine Wohnungen, sondern nur temporäre Unterkünfte für z. B. Flüchtlinge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2016)

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