Argentinien kehrt in die Finanzwelt zurück

Die ausländischen Investoren sollen wieder wirtschaftliche Dynamik nach Argentinien bringen.
Die ausländischen Investoren sollen wieder wirtschaftliche Dynamik nach Argentinien bringen.(c) Bloomberg (Diego Levy)
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Die Isolation ist Geschichte: Der Senat stimmt dem Deal mit den US-Hedgefonds zu. Damit kann sich das Land nach 15 Jahren wieder im Ausland finanzieren – ein dringend nötiger Triumph für den neuen Präsidenten Macri.

Wien. Die letzte Hürde ist genommen: Nach dem Abgeordnetenhaus hat auch der Senat in Buenos Aires der Vereinbarung mit vier US-Hedgefonds zugestimmt. Die hartnäckigen Altgläubiger aus der Zeit der Staatspleite von 2002 bekommen drei Viertel des Nennwerts ihrer Anleihen zurück – 4,65 Mrd. Dollar. Das Votum war keine Formalität: In beiden Häusern des argentinischen Parlaments fehlt der seit Dezember regierenden Koalition von Mauricio Macri die Mehrheit. Ein doppelter Triumph für den neuen, wirtschaftsfreundlichen Präsidenten: Das Ende des lähmenden Schuldenstreits ermöglicht Argentinien nach 15 Jahren finanzieller Isolation die Rückkehr auf die Kapitalmärkte. Und die Zustimmung großer Teile der Opposition ist ein Signal dafür, dass Macri nun – nach einer kurzen Schocktherapie per Notdekrete – wie geplant mit einem gemäßigten, konsensorientierten Reformkurs fortfahren kann.

Befriedigte „Blutsauger“

Vorbei sind die Zeiten, als seine linkspopulistische Vorgängerin, Christina Kirchner, die Gläubiger als „Blutsauger“ und „Finanzterroristen“ beschimpfte. Der Kleinkrieg mit den „Geierfonds“ trieb die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas in die Rolle des Parias. Eher Folklore war, dass die Fonds 2013 ein Schulschiff der Marine pfänden ließen. Ernst wurde es 2014 mit der Verfügung eines – laut Kirchner – „senilen“ New Yorker Richters: Der Staat muss zuerst die Fonds bedienen. Erst dann darf er die Umschuldung mit dem Gros der Gläubiger fortsetzen, die sich längst mit einem Schuldenschnitt auf 30 Prozent zufriedengab. Die Folge: Niemand bekam Geld – und Argentinien war, obwohl zahlungsfähig, de jure wieder einmal bankrott.

Erst seit Kurzem zeigen sich die Hedgefonds, die in der Krise die Anleihen panischer Investoren zum Spottpreis gekauft hatten, kompromissbereit. Sie hatten das Blatt ausgereizt, juristisch kam Gegenwind auf. Auch 60 Prozent der Argentinier strebten zuletzt eine Einigung an. Denn das ausgezehrte Land braucht dringend Geld von außen. Seit dem Ende des Rohstoffbooms vor vier Jahren gibt es kein Wachstum mehr. Die Infrastruktur bröckelt. Auch die Provinzkaiser, meist noch von Kirchners Gnaden, dürsten nach Investitionen. Ohne Einigung mit den Gläubigern wäre ein hartes Sparprogramm unvermeidlich gewesen, soziale Unruhen hätten den Reformkurs infrage gestellt. Das Potenzial für neue Anleihen ist da, denn Schuldenschnitt und erzwungene Abstinenz haben die staatliche Schuldenquote auf moderate 40 Prozent gedrückt. Wie aber konnte es zum langen Patt kommen?

Ursprung des Übels war ein Gesetz von 1976. Damals erlaubte die Militärdiktatur, Staatsanleihen nach dem Recht des Staates New York zu begeben. Ein Mustervertrag wurde erstellt, der auf eines verzichtete: eine mögliche Änderung der Bedingungen durch eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger (also „collective action clauses“). Der Fehler rächte sich. Denn damit konnten später die aggressiven Hedgefonds aus dem Konsens ausscheren. Sie beharrten auf 100 Prozent – und zugleich, formal korrekt, auf Rechtsstaatlichkeit.

Macri stehen freilich die nächsten Feuerproben schon ins Haus. Über seinen Erfolg entscheidet auch, ob er die Inflation von zuletzt 25 Prozent langsam zügeln kann. Sie ist nicht nur „geerbt“, auch die Freigabe des Peso und das Ende der Subventionen für Strom und Gas heizen sie an. Der Präsident braucht Frieden mit der Gewerkschaft, damit die bevorstehenden Lohnabschlüsse moderat bleiben. Erst wenn die Teuerung im Griff ist, kann die Zentralbank die Zinsen senken – und so der Wirtschaft Luft verschaffen. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2016)

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