Finanzausgleich: Schellings "unsexy" Milliardendeal

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Finanzausgleich: Schellings "unsexy" MilliardendealAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der Finanzminister präzisiert erstmals die Leitpflöcke zur Steueraufteilung auf Bund, Länder, Gemeinden: Offenbarungseid für Steuerhoheit, Einstieg zur Transparenzdatenbank.

Wien. Es geht um die Neuverteilung von 95 Milliarden Euro. Dennoch räumt Finanzminister Hans Jörg Schelling ein, Details des ab 2017 angepeilten neuen Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden seien „nicht sexy“. Hinter dem Finanzdeal stecken aber zentrale Weichenstellungen für die Republik über Jahre hinaus.

Steuerautonomie der Länder, Umstieg auf eine „aufgabenorientierte“ Verteilung der Einnahmen, Pflege und Transparenz bei Förderungen: alles schwere politische Kost. Schelling dämpft Erwartungen auf den einen großen Wurf: Reformen sollten aber 2017 begonnen, 2018 und 2019 „Schritt für Schritt“ umgesetzt werden, so der ÖVP-Minister im Gespräch mit der „Presse“. Das „konstruktive“ Klima, das Fortschritte gebracht habe, stimmt ihn zuversichtlich.

Erstmals skizziert nun Schelling vor der entscheidenden Phase der Verhandlungen seine Marschroute. Denn damit der Finanzausgleich ab 2017 gelten kann, müssen bis zum Sommer die Leitpflöcke eingeschlagen werden.

► Steuerhoheit: Die erste Entscheidung dürfte schon Ende April fallen: Sollen die Länder anders als bisher selbst Steuern verantworten? Derzeit heben Gemeinden (wenige) und der Bund die meisten Steuern ein. Dieser teilt dann das Geld auf die Gebietskörperschaften weitgehend nach dem Bevölkerungsschlüssel auf. Da es von manchen Landespolitikern Vorstöße für eine Steuerhoheit der Länder gegeben hat, soll es Ende April den Offenbarungseid aller Länder dazu geben: Wollen sie eine Steuerautonomie oder nicht?

Das Finanzministerium hat die Basis gelegt, etwa indem ein Modell mit einem bundesweiten Sockelbetrag und einem Prozentsatz, den jedes Bundesland aufschlagen kann, erarbeitet wurde. Die Wahrscheinlichkeit einer Steuerhoheit ist dennoch gering, weil SPÖ- wie ÖVP-dominierte Länder Einwände haben. Schelling fordert eine Klärung, um sich unnötige Debatten zu ersparen: „Die Diskussion muss zu einer Entscheidung geführt werden, ob das System weiterverfolgt wird oder nicht.“

► Neue Regeln zur Steueraufteilung: Bisher werden die Steuereinnahmen in erster Linie nach einem Verteilschlüssel aufgrund der Bevölkerungszahl verteilt, ergänzt mit einem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschüssel. Der bringt größeren Städten mehr Geld, weil diese Aufgaben, etwa im Schulwesen oder bei der Gesundheit, über die Stadtgrenzen hinaus übernehmen. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel wird nicht völlig abgeschafft, soll aber ersetzt werden. Schelling möchte die Neuregelung nützen, um sein Kernanliegen beim Finanzausgleich in ersten Schritten umzusetzen. Das ist die „aufgabenorientierte“ Verteilung der Steuermittel. Beispiel: Für das Betreiben von Kindergärten gibt es Geld pro Kindergartenkind, der Bund legt etwa fest, welche Standards die Horte erfüllen müssen.

► Transparenzdatenbank: Schon seit 2009 tobt zwischen Bund und Ländern der Kampf um die Erstellung einer Datenbank über Förderungen, wogegen sich vor allem Wien lange gewehrt hat. Nun zeichnet sich angesichts all dieser Probleme eine Überraschung ab. Schelling selbst nennt es einen „klaren Fortschritt“: Als Einstieg soll die Transparenzdatenbank für Förderungen im Umwelt- und Energiebereich geschaffen werden. Lange grenzte die Datenbank an eine Pflanzerei des Bundes und der Steuerzahler. Die Länder haben nur angegeben, welche Förderleistungen es gibt, aber nicht, welche Leistungen geflossen sind. Damit wurde das Ziel konterkariert: Es konnte wieder nicht geklärt werden, ob jemand Doppel- oder Mehrfachförderung erhält und ob dies sinnvoll ist.

► Pflege: Oberösterreichs Landeschef, Josef Pühringer (ÖVP), hat den Finanzausgleich längst mit Pflege und Gesundheitsfinanzierung verknüpft. Für das Gesundheitswesen ist geplant, die Kostendämpfung wie seit 2012 (da war Schelling Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen) zumindest bis 2020 fortzusetzen. Bei der Pflege hält er die Finanzierung bis 2020 mit dem Pflegefonds, über den der Bund Hunderte Millionen zuschießt, für bewältigbar. Jetzt lässt Schelling im „Presse“-Gespräch mit dem Alarm aufhorchen: „Wenn die Prognosen stimmen, wird die Zahl der zu Pflegenden zunehmen. Mittelfristig werden wir daher gefordert sein, wie wir die Pflege organisieren.“ Zugleich bekräftigt er sein Nein zu SPÖ-Plänen zur Finanzierung mit Wertschöpfungsabgabe oder Erbschaftssteuer.

Auf einen Blick

Die im Kern seit 2007 geltenden Regeln zur Aufteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden soll ab 2017 umfassend geändert werden. Es geht um 95 Milliarden Euro. Seit 2015 wird verhandelt, nun bricht die entscheidende Phase an. Wiens Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), will als Chef des Städtebundes auch die Erhöhung der seit Jahrzehnten unveränderten Grundsteuer.

(Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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