666, die Zahl des Kaisers Trajan?

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Der Wiener Forscher Hans Taeuber hat eine neue Interpretation für die „Zahl des Tieres“. Damit würde die Offenbarung des Johannes auf nach 110 n. Chr. datiert.

Wer Verstand hat, berechne die Zahl des Tieres; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist 666“, steht in der Offenbarung des Johannes (13,18). Diese Zahl wurde vielfältig gedeutet, oft offensichtlich tendenziös: So las Luther daraus die Zeit der weltlichen Herrschaft des Papstes, und eine (nicht mehr ganz) neue Verschwörungstheorie sah sie als Zahl von Ronald Wilson Reagan (weil dessen drei Namen je sechs Buchstaben haben). Der Okkultist Aleister Crowley nannte sich selbst „das große Tier“ und unterschrieb Briefe an seine Anhänger mit 666; Death-Metal- und Black-Metal-Adepten lieben diese Zahl, die Band Slayer zeigte auf einem Cover einen gequälten Christus mit der Zahl auf der Brust und ließ sogar ein Bier namens 666 brauen.

Aber was meinte der Verfasser der Offenbarung, dieser wilde Apokalyptiker, den heute kein Forscher mehr mit dem Apostel oder dem Evangelisten gleichsetzt, damit? Im 13. Kapitel der Offenbarung kommen zwei grässliche Tiere vor, eines steigt aus dem Meer, eines kommt von der Erde. Das erste Tier hat sieben Häupter: Friedrich Engels interpretierte diese als sieben römische Cäsaren: Cäsar, Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius, Nero, Galba. Auf Nero (Kaiser von 54 bis 68 n. Chr.) legten sich im 19. Jahrhundert viele Exegeten fest, Ferdinand Benary fand auch schon eine Erklärung aus Zahlen: Wenn man die Zahlenwerte der Buchstaben der hebräischen Schreibweise für Kaiser Nero (Neron Kesar) addiere, erhalte man die Zahl 666. Auf Kaiser Hadrian (117–138) kam dagegen Thomas Witulski – über die hebräische Schreibweise von Trinus Adrinus. Allerdings würde das die Offenbarung entweder ungewöhnlich spät datieren oder ihrem Verfasser tatsächlich prophetische Gaben attestieren. Denn die Entstehung der Offenbarung wird heute meist ins dritte Drittel des ersten Jahrhunderts n. Chr. datiert.

Die Rätselzahl führt zu Ulpius

Zu einer späteren Datierung führt auch die Auslegung, die nun Hans Taeuber vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde der Uni Wien vorschlägt: Mit 666 sei Kaiser Trajan gemeint, der von 98 bis 117 n. Chr. regierte. Auch Taeuber beruft sich auf die Übersetzung eines Namens in Zahlen. Die Informatikstudentin Diana Altmann hat in ihrer von Taeuber betreuten Diplomarbeit ein Computerprogramm geschrieben, das für alle möglichen Schreibweisen aller möglicher antiker Namen die Summe der Zahlenwerte ihrer Buchstaben errechnet. „Damit ist es uns möglich, zu jeder ,Rätselzahl‘ eine Liste antiker Personen zu erstellen, auf die die betreffende Quersumme zutrifft“, sagt Taeuber. Und für 666 ergab sich Ulpius, der Gentilname von Marcus Ulpius Traianus.

Taeuber und Altmann gehen vom griechischen Alphabet aus, und von einer Zuordnung der Buchstaben und Zahlen, die in den „Rätseln von Ephesos“ verbreitet war. Mit solchen wurden etwa in Graffiti erotische Geheimnisse auf verhüllte Weise offenbart: „Ich liebe die, deren Zahl 865 ist“, schrieb etwa ein Verliebter an die Wand des „Hanghauses 2“ in Ephesos. Sie beruhen auf dem nach der kleinasiatischen Stadt Milet benannten milesischen Zahlensystem, das auf simple Weise dekadisch ist: Jeweils neun Buchstaben stehen für die Einer 1 bis 9, für die Zehner 10 bis 90 und für die Hunderter 100 bis 900. Da das griechische Alphabet eigentlich nur 24 Buchstaben enthält, wurde es um drei Buchstaben erweitert: um das Stigma an sechster Stelle (zwischen Epsilon und Zeta), das Koppa (Lautwert k, Vorbild des lateinischen Q) an 18. Stelle (zwischen Pi und Rho) und das San (ein archaischer Buchstabe für den Laut s) ganz am Schluss, nach dem Omega. Das Stigma ist eigentlich eine Ligatur von Sigma und Tau; Taeuber konnte zeigen, dass es in zeitgenössischen Inschriften wie eine bestimmte Form des Sigma geschrieben wurde. Die Rechnung funktioniert, wenn man Ulpius griechisch als Oylpios schreibt, dann lautet die Addition: 70+400+30+80+10+70+6=666.

Wieso sollte ein frühchristlicher Apokalyptiker, der laut eigener Aussage auf die Insel Patmos (vor Ephesus) verbannt war, gerade in Trajan das Tier, den Antichristen sehen? Nun, Trajan befahl zwar nicht wie Nero Christenverfolgungen im großen Stil, dem Statthalter der kleinasiatischen Provinz Bithynien schrieb er, dass man Christen nicht aktiv aufspüren und auch keinen anonymen Anzeigen nachgehen solle. Wer nachweislich den Kaiserkult verweigerte – und das taten die Christen –, den sollte man aber wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt hinrichten.

Taeuber nennt noch ein Indiz für die Entstehung der Offenbarung in der Zeit Trajans. Im zweiten Kapitel befiehlt dem Johannes eine Stimme, er möge Briefe an sieben Gemeinden verfassen, darunter die in Pergamon. Dieser solle er schreiben: „Ich weiß, wo du wohnst: wo des Satans Thron ist.“ Damit könnte Johannes das Trajaneum meinen, den Kaiserkulttempel, der um 110 n. Chr. in Pergamon errichtet wurde. Damit wäre die Offenbarung erst nach 110 n. Chr. entstanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2016)

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