Korruption und Namensgebung

Wie die Juden Galiziens zu ihren Familiennamen kamen.

Franz Fiedler kämpft unverdrossen gegen Korruption, und das ist gut so. Denn Bestechlichkeit hinterlässt lange Spuren. Manchmal kann man ihre Folgen noch nach Jahrhunderten feststellen. Wie zum Beispiel bei den „typisch jüdischen“ Familiennamen. Was die mit Bestechlichkeit zu tun haben?

Es begann mit Maria Theresia. Unter ihr kam Galizien an die Habsburger. Damit war die Monarchie erstmals mit einer großen Zahl jüdischer Untertanen konfrontiert. Die strenggläubige Kaiserin hatte für sie nicht viel übrig. Anders ihr Sohn. Das Toleranzpatent Josephs II. war für die Juden ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung. Bevor es aber so weit kam, beharrte der aufgeklärte Monarch auf gleichen Pflichten. Er dekretierte, dass die Juden „zur Vermeidung aller Unordnung“ bei der Steuereinhebung und dem Militärdienst anstelle der bislang üblichen Beinamen (meist nach dem Rufnamen des Vaters, „Sohn des Jakob“ etwa) einen „beständigen Geschlechtsnamen in deutscher Sprache“ annehmen müssten.

Was folgte war – Korruption: Besser gestellte Juden konnten sich „schöne“ Familiennamen sichern. Was ist schön? Edelsteine zum Beispiel. Wenn man die habsburgischen Beamten bestach, konnte man „Diamant“ (wie Kafkas Freundin Dora), Saphir, Rubinstein (unzählige) und Perlmann heißen. In einer ähnlicher Preisklasse rangierte die Namensgebung nach Edelmetallen: Gold, Goldstücker (Eduard), Goldmark (Karl), Silbermann.

Deutlich weiter unten im Renommee lagen die Farbnamen: Rot (Joseph Roth), Gelber, Schwarz, und unzählige Judenwitze („Sagt der Grün zum Blau...“) fanden hier ihren Ausgangspunkt. Andere Juden durften sich nach ihren Berufen nennen, Kohn („Priester“), Singer, Schächter, Spielmann und Musikant, blickten in die Natur („Obstbaum“ wurde zu Hobsbawm) oder orientierten sich am Erzvater Jakob: Der hatte seine Söhne mit dem Löw', Hirsch und dem Wolf verglichen. Wer nicht genug bezahlen konnte, hatte Schlimmes zu erwarten: Er hieß fortan Fisch, Lachs oder Salamander. Vollends sadistisch waren die Spott- und Schandnamen wie Ochs (siehe Ochs-Sulzberger), Wallach, Pfefferkorn, Ellenbogen, Nierenstein usw. – kein Wunder, dass so Benannte später poetische Fluchtnamen, wie Morgenthau, Sternberg oder Rosenzweig, suchten oder sich nach Orten und Ländern (Wiener, Mannheimer, Engländer, Franzos, Austerlitz) nannten.

Erkennbar aber waren sie (fast) alle. Und damit war der Weg vorgezeichnet: zum Hohn, zur Abgrenzung, schließlich bis zur Einführung von „Israel“ und „Sara“ in den Pässen (1939) und der endgültigen Ausgrenzung mit dem Judenstern. Begonnen hatte das alles mit Korruption. Und so begegnen wir mit einem Blick zurück manch Bekanntem: der Bestechlichkeit, dem Obrigkeitsstaat, den fatalen Folgen von Ausgrenzung – und hoffen, dass das alles bloß Vergangenheit ist.

Kurt Scholz war langjähriger Wr. Stadtschulratspräsident

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2009)

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