Fifa-Museum: Mehr als Trikots und Fußballschuhe

(c) APA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Das Ende Februar in Zürich eröffnete Fifa World Football Museum birgt Spannendes wie Innovatives. Zu seinen Skandalen steht der Weltverband (noch) nicht.

Zürich. Mit etwa 50 Besuchern warten wir am Eingang des Fifa World Football Museum. Wir hoffen, dass es mehr als Trikots und Fußballschuhe zu sehen gibt, allein schon wegen der Kinder, die an diesem verregneten Sonntag beschäftigt sein wollen. Neugierige Blicke in der Schlange suchen nach einem Fußball-Promi. Aber diesen gab es schon vor zwei Wochen bei der Eröffnung nicht, denn auf großen Medienrummel „hat man bewusst verzichtet“, sagt uns später der Direktor des Museums, Stefan Jost, „auch aus Sicherheitsüberlegungen“.

Die Tickets haben wir bereits vorher online besorgt. Durch eine Pforte mit Barcode-Scanner geht es dann hinein. Hier auf der Eingangsebene Planet Football gibt es eigentlich nur zwei Ausstellungsstücke: die „Chronik “, eine graue Wand mit der Geschichte des Weltfußballs seit der Gründung der Fifa, und – Favorit des neuen Präsidenten Infantino – der „Rainbow“, eine runde Glasvitrine mit circa zwölf Metern Durchmesser, in der die Trikots aller Mitgliederverbände als bunter Farbverlauf eines Regenbogens aufgefächert sind. Hier taucht man in wenigen Augenblicken ganz in die magische Welt des Fußballs ein. Übergroße Filmsequenzen von kickenden Kindern in Afrika auf wandhohen Leinwänden wechseln sich mit Spielszenen aus Stadien und von Trainingsplätzen irgendwo auf dem Planeten ab. Dezent dazu im Hintergrund die Geräusche – Sprechen, Kinderlachen, Vogelgezwitscher, Stadionjubel, sphärische Klänge.

Ein Pokal als Blickfang

Eine Meisterleistung ist das in Sachen multimedialer Inszenierung, die den Besucher emotional einfängt und die Fifa-Skandale für ein paar Stunden vergessen oder zumindest verdrängen lässt – so das Statement einiger angetaner Besucher, nennen wir sie Fans. Aber wir treffen auch auf einen anderen Besucher, den nachdenklichen, den Puristen. Ihn schrecken gerade das Monumentale und die Inszenierung ab, weil sich darin das Negative der Fifa widerspiegelt. Die Geräuschwolke begleitet uns über eine tunnelartige Treppe, auf der die Kinder für die museumseigene Hunting-Tour Begriffe suchen, in das Untergeschoß. Gleich neben einer Spiegelgalerie mit historischen Dokumenten zur Fifa-Gründung steht das Allerheiligste: der Fifa-WM-Pokal – der Pokal der Pokale – Publikumsmagnet schlechthin. Und ihm gegenüber der Frauen-WM-Pokal. Jeder Besucher verweilt hier, schießt ein Selfie von sich und dem Pokal. Auch der Purist hat jetzt ein Leuchten in den Augen. Regelrecht andächtig ist die Atmosphäre.

Kontrastiert wird sie von verschiedenen Aktivitäten drumherum: In einer Moderatorenbox kann man sich als Live-Kommentator versuchen, an einem Touchscreen sein Schiedsrichtertalent unter Beweis stellen und beim Soccer Dance mit Ronaldinho tanzen, bei dem der Große den Tagesscore knackt, während der Kleinere mit Maskottchen-Ertasten beschäftigt ist. Information zu den WM-Spielen und allerlei Andenken geben dem bunten Treiben einen Rahmen mit Inhalt und Originalität. Weiter hinten warten wir dann in einer Curva Norda auf „Das Finale“, den Film im angrenzenden Kino. Rund fünf Minuten dauert das Potpourri aus Spielszenen, seitdem Fußball überhaupt gefilmt wird. Schnell sind die Sequenzen geschnitten, filmtechnisch durchaus gut gemacht. Trotzdem wünscht man sich hier weniger Tempo, vielleicht eine Wiederholung, gern auch in Zeitlupe, um die besten Augenblicke länger zu genießen. Zudem erweist sich das Kino als umständlicher Flaschenhals auf dem Museumsspaziergang, durch den jeder durchgehen muss, auch wenn man den Film nicht sehen will.

Freistöße und Dribblings

Im Normalfall fährt man aber nach dem Film direkt aus dem Kino im monumentalen gläsernen Aufzug in die erste Etage. Dabei werden wir als Schatten selbst kurz Teil der multimedialen Inszenierung, wenn wir unmittelbar an den Tausenden Leuchtdioden eines Riesenbildschirms vorbeifahren. Oben auf der Etage der Spiele wird es nun licht und hell. Der grüne Tartanboden mit Spielfeldmarkierungen ahmt ein Fußballfeld nach. Unsere Kinder rennen in die Bastelecke, nachdem sie die anspruchsvolle Hunting-Tour durch die Ausstellung gemeistert haben. Der ein oder andere Besucher streckt sich auf einem XXL-Sitzkissen aus, verschickt „sein“ Pokalbild oder stöbert in einem Buch aus der Bibliothek. Gleich daneben darf dann auch noch Fußball gespielt werden. Ob Freistoß, Eckball oder Dribbling – als virtueller Avatar eines Fußballstars kann man seine Fußballfähigkeiten testen.

Etwas Erdung bringen da Videoportraits von Normalsterblichen, die einfach aus Freude kicken, in deren Leben das einfache Spiel einen besonderen Stellenwert hat, zum Beispiel beim afrikanischen Blindenfußballer Wonti oder Andrew Hicks von der kleinsten Liga der Welt.

Die Fifa, frei von Skandalen

Hier treffen wir wieder auf unsere Besucherbekanntschaften. Das unterschiedliche Echo hat sich offensichtlich bis zum Schluss gehalten. Der Fan ist inzwischen vollends begeistert. Schon längst hat er die Selfies von den Spielstationen mit seinen Scores an Freunde verschickt. Zwei ältere Damen, die von der Innenarchitektur angetan sind, wollen unbedingt mit ihren Enkeln wiederkommen.

Und der Purist? „Klar ist das Zusammenspiel aus Symbolik, Aktivität und multimedialer Berieselung sehr gut gemacht. Hier wurde finanziell offensichtlich mit der großen Kelle angerührt. Aber ist es das, worum es im Fußball geht?“ Ihm fehlt bei der ganzen Technik die Nahbarkeit. Zu glatt ist ihm die glänzende Oberfläche. Das Archaische und Ursprüngliche beim Spiel – Schweiß, Freude und Tränen in einem Augenblick –, das kommt für ihn nicht zum Ausdruck. Und in dieser reinen The-winner-takes-it-all-Atmosphäre vermisst er die kritische Auseinandersetzung mit den Schattenthemen dieses Weltsports, dazu gehört auch die Aufarbeitung der jüngsten Fifa-Geschichte.

Stefan Jost erläutert uns später, dass diese Themen durchaus noch im Museum Platz finden werden. Scheu hätte man davor nicht. Inhaltlich sei man unabhängig von der Fifa. Aber man sei auch kein Korruptionsmuseum, im Zentrum stehe immer noch der Fußball selbst. Man wird sehen, was daraus wird.

Auf dem Heimweg kommt uns ein Zitat von Hermann Hesse in den Sinn: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Auch das Fifa-Museum hatte heute trotz mancher technischer Mängel einen gewissen Zauber. Bleibt zu hoffen, dass Stefan Jost und seine Mannschaft diesen in Zukunft sinnvoll zu nutzen wissen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2016)

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