FPÖ: "Ein neues politisches Zeitalter"

Norbert Hofer bei der Stimmabgabe.
Norbert Hofer bei der Stimmabgabe.(c) AFP (Dieter Nagl)
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Norbert Hofer landet auf Platz eins. Es ist ein Rekordwert für die Bundespartei. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Regierungsparteien.

Der John-Otti-Song „Immer wieder Österreich“ muss ein paar Mal in der Schleife laufen, bis der Parteichef kommt. Dann ist es soweit, gegen 20.30 Uhr: Heinz-Christian Strache betritt die FPÖ-Parteizentrale – und die Menge jubelt. Frauen und Kinder in die erste Reihe, die Mini-Österreich-Fahnen werden geschwenkt. Strache ruft seinen „lieben Freunden“, wie es bei der FPÖ immer heißt, entgegen: „Norbert Hofer, diese großartige, liebenswürdige Persönlichkeit“, hätte das Wahlergebnis möglich gemacht. „Seine ehrliche Art“ hätte die Menschen überzeugt. „Genau so jemanden wollen die Österreicher in der Hofburg haben.“ Und: „Er hat uns gezeigt: Das ist die Mitte der Gesellschaft.“

„Heute wurde Geschichte geschrieben“, ruft Strache weiter. Es sei ein „neues politisches Zeitalter aufgeschlagen“. Für den Gegner in der Stichwahl, Alexander Van der Bellen, gibt es Buh-Rufe. Und nicht nur für ihn, sondern vor allem für sein „antidemokratisches Verhalten“. Der Kandidat und Ex-Grünen-Chef hatte bisher theoretisch abgelehnt, einen Kanzler-Strache anzugeloben. „Er spaltet die Gesellschaft“, meint Strache. Dann eröffnet er die Bar: „Lasst uns trinken.“ FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sagt: „Morgen ist blauer Montag.“

Es war de facto schon ein blauer Sonntag, in gewisser Weise. Der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer erzielt mit mehr als 36 Prozent ein Rekordergebnis für die Bundespartei. Er schlägt damit auch seinen Parteichef Strache. Dieser hatte bei der Wien-Wahl 30,8 Prozent der Stimmen bekommen. Das beste freiheitliche Landtagsergebnis aller Zeiten gelang der FPÖ übrigens in Kärnten: Kurz nach Jörg Haiders Tod holte sich Gerhard Dörfler im März 2009 (allerdings unter der Flagge BZÖ) 44,89 Prozent. Haiders persönlicher bester Wert waren 42,43 Prozent im Jahr 2004. Ein „Rendezvous mit der Geschichte“, wird es Hofer später nennen.

Kopfrechnen in der Zentrale

So gut die Stimmung am späten Abend ist, so hin- und hergerissen sind die Funktionäre noch einige wenige Stunden vorher. Es liegt eine seltsame Mischung aus Freude, Ungläubigkeit und Skepsis – gepaart mit Rauch –, in der Luft. Die FPÖ feiert ihren Wahlsieg, sie feiert aber in kleinem Rahmen. So kennt man die Freiheitlichen gar nicht. Man denke an die vergangene Wien-Wahl, als die John-Otti-Band in einem großen Partyzelt vor dem Rathaus für Stimmung sorgte.

Die Funktionäre verbringen den frühen Abend mit Kopfrechnen: 20 Prozent der Stimmen von Irmgard Griss könnten nun zu Alexander Van der Bellen wandern, glaubt einer. Die Hälfte der jetzigen ÖVP-Wähler würden im zweiten Wahlgang Hofer unterstützen, tippt ein anderer. Manche ärgern sich, dass das Ergebnis in Wien deutlich schwächer als der österreichweite Trend ausgefallen ist. Und was den Ausgang der Stichwahl am 22. Mai betrifft? Da teilen sich die Meinungen: Einige sind skeptisch, dass die Stichwahl schon in der Tasche ist. Andere sind mehr als optimistisch. Einig sind sich aber die meisten: Gegen Van der Bellen hat Hofer mit Sicherheit eine große Chance – gegen Irmgard Griss wäre es schon schwieriger geworden.

Jetzt könnte es tatsächlich möglicherweise einen freiheitlichen Bundespräsidenten geben. Und das, obwohl Hofer eigentlich gar nicht antreten wollte. Zu jung fühlte er sich für das Amt. Nicht nur das: Bedenken hatte der Burgenländer auch wegen seiner Gehbehinderung. 2003 hatte er einen schweren Paragleiterunfall. Klassisches, stundenlanges Wahlkämpfen auf der Straße war ihm nicht möglich. Außerdem war der Dritte Nationalratspräsident bis vor Kurzem noch weitgehend unbekannt.

Diese Zweifel machte sich die FPÖ dann aber zunutze: Mit seinen 45 Jahren stach Hofer im Vergleich zu den anderen Kandidaten als geradezu jugendlicher Mitbewerber heraus. Auch seine körperliche Einschränkung wurde von der Partei offensiv thematisiert: Hofer sei ein Kämpfer. Schließlich habe er sich nach dem Unfall buchstäblich wieder auf die Beine gebracht.

Das sollte aber nicht der ausschlaggebende Grund für dieses Wahlergebnis sein. Vielmehr war es wohl eine Mischung aus zwei anderen Faktoren: Einerseits gab (und gibt) es massiven Unmut in der Bevölkerung über die Regierungsparteien – und ihre Asylpolitik. Andererseits trat Hofer als Gegenpol zum typisch angriffigen Freiheitlichen auf. Mit seiner ruhigen, freundlichen Art sammelte er Sympathiepunkte. Und, als zweiten Schritt, auch Stimmen. Plötzlich wurde Hofer für viele, die nicht zu den klassischen FPÖ-Wählern gehören, eine (Wahl-)Option.

„Bissig, hinterlässt aber keine Spuren“

Stets lächelnd, immer freundlich präsentierte sich der Dritte Nationalratspräsident im Wahlkampf. Nur selten griff er seine Wahlgegner so frontal an, wie man es von seinem Parteichef Strache kennt. Nicht ohne Grund verglich sich Hofer einmal mit einem Cockerspaniel – „der ist bissig, hinterlässt aber keine Spuren“.

Die Stichwahl wird nun zeigen, ob der selbst ernannte Cockerspaniel in den vergangenen Wochen quasi einen Maulkorb hatte: Denn selbst wenn Hofer milde im Ton war – seine politische Ausrichtung weicht dennoch keinen Millimeter von der FPÖ-Linie ab. Diese Strategie will die FPÖ nun fortführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2016)

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