Ranieri: Wird er Ruf als ewiger Zweiter bei Leicester gerecht?

Sie nennen ihn „Godfather“: Claudio Ranieri ist in Leicester längst eine Legende.
Sie nennen ihn „Godfather“: Claudio Ranieri ist in Leicester längst eine Legende.(c) REUTERS (Jason Cairnduff)
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Drei Spiele trennen Leicester City von der größten Sensation der englischen Liga. Doch vieles spricht dafür, dass der Traum nicht in Erfüllung geht.

Wien. „Wo ist denn diese verdammte Party?“, brüllte Claudio Ranieri in sein Handy. Die Anekdote wird seit zwei Wochen bei Leicester City immer wieder erzählt. Schließlich ist mittlerweile so ziemlich alles legendär, was den italienischen Erfolgstrainer betrifft. Auch die Geschichte, dass er um einen Tag zu früh zur Geburtstagsparty von Christian Fuchs erschienen ist. Der österreichische Teamkapitän feierte Anfang des Monats seinen Dreißiger. Ranieri kam gleich zweimal.

Die Zahl zwei begleitet den 64-jährigen Römer seine ganze Karriere. Und mit ihr verbindet er in der Regel keine Erinnerungen, die man zu Anekdoten ausschmückt. Es sind Erinnerungen an Niederlagen, Enttäuschungen und Kränkungen. Schon als junges Talent beim AS Roma war er nur zweite Wahl. Und so wechselte er mit 22 zum Zweitligisten Catanzaro. Der Klub aus Kalabrien schaffte – als Zweiter – den Aufstieg in die Serie A. Als Spieler kämpfte Ranieri fast immer gegen den Abstieg.

Mann für hoffnungslose Fälle

Als Trainer konnte er diese bitteren Erfahrungen in Erfolge ummünzen. Er betreute Außenseiterklubs und brachte sie nach oben. Cagliari Calcio führte er von der dritten Liga in die Serie A. Ranieri wurde Spezialist für schwierige und hoffnungslose Fälle. Auch beim FC Valencia. Der spanische Traditionsklub rangierte 1997 im Niemandsland der Primera División. Der Klub hatte kein Geld, aber Talente wie Gaizka Mandieta und David Albelda. Ranieri formte eine Topmannschaft. Seine Saat erntete Hector Cuper, der Valencia 2000 ins Champions-League-Finale führte (0:3 gegen Real).

Ranieri war zu dieser Zeit erstmals auf dem Weg auf die Insel. Mit dem FC Chelsea schaffte er nie den großen Wurf, schrammte stets an den begehrten Champions-League-Plätzen vorbei, hatte im FA-Cupfinale gegen Arsenal des Nachsehen. Dass er Spieler wie Frank Lampard und John Terry ins Team holte, zeigte sein Auge für Talente. Ranieri konnte aus wenig viel machen. Aber er war unfähig, aus dem Vollen zu schöpfen. Als ihm 2003 der russische Oligarch Roman Abramowitsch 120 Millionen Pfund für Spielereinkäufe zur Verfügung stellte, kaufte Ranieri, was Rang und Namen hatte, für einen Titel reichte es nicht. Ein zweiter Platz bedeutete seine Ablöse. Dann kam José Mourinho.

Als vorigen Juli bekannt wurde, wer der neue Trainer von Leicester City sein würde, herrschte bei den Fans in den Midlands bestenfalls Verwunderung. „Claudio Ranieri? Im Ernst?“ twitterte Leicester-Ikone Garry Lineker. Längst galt Ranieri, der Trainer für die hoffnungslosen Fälle, selbst als hoffnungsloser Fall. Wochen zuvor war er nach einem 1:2 gegen Färöer als griechischer Teamchef mit Schimpf und Schande gefeuert worden. Und jetzt sollte gerade er Leicester City im zu erwartenden Abstiegskampf Halt geben?

Aber Ranieri war endlich wieder dort, wo er sich am wohlsten fühlt. Beim Underdog. Nur drei Klubs in der Premier League haben ein geringeres Budget als Leicester City. Und wie gut Ranieri und der Klub zusammenpassen, zeigt auch ein Blick in die Geschichtsbücher des 1884 gegründeten Fußballvereins. Das allerhöchste der Gefühle waren zweite Plätze. 1929 wurde Leicester City Vizemeister, viermal gingen die Foxes als Verlierer aus dem FA-Cupfinale – zuletzt 1969.

Ausgerechnet bei Chelsea

Auswärts gegen Manchester United, zu Hause gegen Everton und am 15. Mai das letzte Meisterschaftsspiel in London gegen Chelsea. Ausgerechnet Chelsea!

„Vielleicht sind sie nicht die Stärksten in Sachen Technik, aber sie haben einen Weg gefunden, effektiv zu sein. Und sie haben mentale Qualitäten, die absolut top sind“, sagt Arsenal-Manager Arsène Wenger. Das gibt Hoffnung.

Traditionell wird die Premier League Trophy dem Meister am Ende des 38. Spieltages überreicht. Nicht nur für Ranieri wäre es der erste Meistertitel. Auch für Christian Fuchs. (gh)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2016)

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