Mein Slogan gehört einem anderen

Wahlplakat Alexander Van der Bellen
Wahlplakat Alexander Van der BellenAPA
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Auf ihren neuen Plakaten setzen die Kandidaten Begriffe ein, die aus dem Fundus des Kontrahenten stammen könnten: Hofer ist für die Vernunft, Van der Bellen für die Kraft und die Heimat. Das ist heikel.

Verkehrte Welt: Da stellt sich der Kandidat der FPÖ, die sonst gern Emotionen schürt und eher durch Überspitzung denn durch Abwägung auffällt, glatt als die „Stimme der Vernunft“ dar. So gesehen auf dem am Freitag vorgestellten Plakat Norbert Hofers für die Bundespräsidentenwahl. Und andererseits ist da ein Grüner, der es schafft, gleich zwei Vokabel in einen Slogan zu verpacken, die man gemeinhin nicht mit linker Denkungsart assoziiert: „Glauben wir an unsere Kraft“ liest man da. Ein hemdsärmeliger Alexander Van der Bellen steht vor einem Getreidefeld und einem dunklen Wald, der auch noch verdächtig an die Gemälde der Nazarener erinnert, jener frömmelnden volkstümelnden Maler aus dem 19. Jahrhundert.

Glauben und Kraft, Vernunft und Volk, dazu noch die Heimat. Der Kampf um die Begriffe bzw. um die Deutungshoheit über diese Begriffe prägt diesen Wahlkampf wie kaum einen zuvor – wohl auch, weil beide Kandidaten Wähler erreichen müssen, die gar nicht zu ihrer Klientel gehören, und damit gezwungen sind, auch auf dem Terrain des anderen zu wildern. Das gelingt, wenn sich die Kontrahenten inhaltlich nicht allzu sehr verbiegen und damit ihre genuinen Anhänger vergraulen wollen, am ehesten über Schlüsselworte. Und am allerbesten über solche, die so doppel- bzw. mehrdeutig sind, dass die Signale, die man mit ihnen ausschickt, von Menschen mit verschiedenem ideologischen Background ganz unterschiedlich interpretiert werden können.

Die „Vernunft“ schließt Grenzen

Auf die Vernunft etwa, sollte man meinen, können wir uns alle einigen. Und dass sich Norbert Hofer als abwägend und nachdenklich präsentieren will, könnte Menschen, die skeptisch sind, ob ein Kandidat der sonst wenig besonnenen FPÖ das Zeug zum Bundespräsidenten hat, vielleicht beruhigen. Doch gleichzeitig ist die „Stimme der Vernunft“ ein rechts-konservativer Spin aus der Flüchtlingskrise: Die Vernunft, sagt dieser Spin, lässt sich nicht durch Fotos ertrunkener Flüchtlingskinder von notwendigen Entscheidungen abbringen. Die Vernunft riegelt die Grenzen ab.

Das Spiel mit den Assoziationen, die ein Begriff oder Zeichen auslöst, beherrscht die FPÖ seit Haiders Zeiten perfekt, sie tarnt damit oft rechtes Gedankengut. Im Notfall kann man sich darauf herausreden, von nichts gewusst zu haben. Eine Karikatur mit Hakennase, meinte Strache, sei doch nicht antisemitisch.

„Volk“ versus Elite

Mit „Das Recht geht vom Volk aus“ ist der FPÖ diesbezüglich ein besonders raffinierter Slogan geglückt. Einerseits gibt sich Hofer mit diesem verkürzten Zitat aus dem Bundesverfassungsgesetz („Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“) brav verfassungstreu. Das Volk, das ist der Souverän. Wir begegnen ihm etwa in der Volksabstimmung.

Doch immer schwingen bei diesem Begriff noch andere Bedeutungen mit: Das Volk wird einerseits als Gegenpol zur ungeliebten Elite verstanden, wer seine Sprache spricht, beherrscht die Stammtische. Und zweitens wird auch auf das angespielt, was die FPÖ gerne „autochthone Bevölkerung“ nennt. Wer nicht unbedingt zu diesem Volk zählt: Staatsbürger mit Migrationshintergrund. „Das Recht geht vom Volk aus“ kann man also genauso als Bekenntnis zur Verfassung lesen wie als Positionierung gegen „die da oben“ – oder „die da draußen“, die Flüchtlinge, Migranten.

Heimat ohne Stacheldraht

Van der Bellen mag mit der „Kraft“ hausieren gehen, Hofer mit der „Vernunft“; die „Heimat“ findet sich auf den Plakaten beider. Hofer wendet sich mit „Deine Heimat braucht dich jetzt“ an potenzielle Wähler. Van der Bellen wirbt mit „Wer seine Heimat liebt, spaltet sie nicht“ und „Heimat braucht Zusammenhalt“. Sicher ist: Beim Wildern in fremden Revieren stellt sich Van der Bellen deutlich weniger geschickt an als sein Konkurrent. Nur wenige Linke interpretieren die Kampagne nicht als Anbiederung, sondern als ehrlichen Versuch, den von Konservativen okkupierten Heimatbegriff inhaltlich neu zu besetzen.

Und das, obwohl die Macher der Kampagne sehr bemüht waren, die Wucht des Begriffes abzumildern. Van der Bellens Heimat auf dem jüngsten Plakat ist eine Alpenlandschaft, es geht um die Region, um die Natur, nicht um eine Heimat, für die man in die Schlacht zöge. Und auf dem ersten Plakat sieht man zwar einen Zaun, aber der ist nicht aus Stacheldraht, sondern aus morschem, windschiefem Holz. Der hält keinen auf.

So kann man auch leicht erkennen, wie schmal der Grat ist, auf dem sich die Kandidaten bewegen: Stellen Sie sich einfach Van der Bellens Heimat-Spruch vor einer österreichischen Fahne vor – oder die „Stimme der Vernunft“ vor einem morschen Zaun!

DIE PLAKATE

Alexander Van der Bellen wirbt mit den Slogans: „Wer unsere Heimat liebt, spaltet sie nicht“. „Glauben wir an unsere Kraft“. „Nach bestem Wissen und Gewissen“, „An Österreich glauben“, „Heimat braucht Zusammenhalt“. Van der Bellen posiert meist in der Natur.

Norbert Hofer hat die neuen Plakate am Freitag vorgestellt: „Stimme der Vernunft“ und „Das Recht geht vom Volk aus“. Er wirbt auch mit „Deine Heimat braucht dich jetzt“ und „Flagge zeigen“. Er ist vor der österreichischen Fahne zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)

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