Die liberale Hoffnung der französischen Linken

Porträt. Der sozialistische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron tritt offen für wirtschaftsliberale Reformen ein und distanziert sich von Präsident Hollande. Der 38-jährige Ex-Banker positioniert sich bereits für die Wahlen im nächsten Jahr.

Paris. Ausgerechnet in Frankreich, wo „wirtschaftsliberal“ immer noch als Schimpfwort gilt, ist ein Minister der sozialistischen Regierung zum Hoffnungsträger liberaler Reformen geworden: Der 38-jährige Wirtschaftsminister, Emmanuel Macron, hat sich bereits über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht.

Allerdings punktet er weniger mit erfolgreich durchgeführten Strukturreformen, als vielmehr mit seinen öffentlichen Stellungnahmen, die im eigenen Lager als Provokationen empfunden wurden. So hatte Macron die für die Linke immer noch sakrosankte 35-Stundenwoche oder die Reichtumssteuer ISF infrage gestellt – zwei Säulen des französischen Sozialismus und der regierenden Linken.

Manager bei Rothschild

Macron spricht Klartext: „Diese Linke ist nicht befriedigend“, sagt er. Dafür erntet er Schlagzeilen: Denn in den französischen Medien kommt es immer gut an, wenn ein Politiker Tabus bricht oder an Dogmen des eigenen Lagers rüttelt. Fast an Majestätsbeleidigung grenzt es aber, wenn Macron in einem seiner zahlreichen Interviews recht arrogant auf seine Freiheit pocht und erklärt, er sei dem Präsidenten – dem er zuerst als Berater im Elysée gedient hatte und der ihm später zum Minister machte – zu nichts verpflichtet.

Etwas erschrocken über die Schockwelle der Empörung in den Reihen der Regierungspartei, beeilte sich Macron später, Staatschef François Hollande seine Loyalität zu beteuern. Ohne freilich auch nur ein einziges Wort seiner Äußerungen zurückzunehmen.

Für einen französischen Spitzenpolitiker ist Macrons Karriere untypisch. Zwar legte der Sohn eines Ärztepaars aus Amiens den üblichen Weg durch die Kaderschmiede der Eliteschulen der Republik zurück: Nach dem Philosophiestudium an der Universität bekam er das Diplom in Politischen Wissenschaften, anschließend absolvierte er die Elite-Verwaltungshochschule ENA und wurde zuerst Finanzinspektor. 2008 zog er einen Managerposten bei der Privatbank Rothschild der ihm vorgezeichneten Laufbahn als Spitzenbeamter vor. Als Bankier organisierte er sehr erfolgreich Unternehmensfusionen und verdiente dabei viel Geld. Mit diesem Leistungsausweis holte ihn dann François Hollande 2012 als Präsidentenberater für Wirtschaftsfragen ins Elysée. Als Macron dann im August 2014 von Hollande ziemlich überraschend zum Wirtschafts- und Industrieminister ernannt wurde, sah Frankreich in ihm vor allem das pure Gegenteil seines Vorgängers, Arnaud Montebourg, der zum linken Flügel der Sozialisten gezählt wird. Macron dagegen ist ein Sozialliberaler und tritt resolut für Strukturreformen ein.

Das traditionelle Links-Rechts-Schema der Politik hat für den jungen Politiker längst ausgedient. Die Bewegung „En marche!“ (Vorwärts), die er Anfang April mit viel Medienecho gegründet hat, soll darum Leute aus allen Lagern anziehen. Ziel ist, „durch Reformen die seit Langem bekannten Hindernisse zu überwinden, die bisher Frankreich blockieren und eine Modernisierung verhindern“. Das klingt verdächtig nach einem attraktiven Präsidentschaftsprogramm – und kommt offenbar bei den französischen Wählern gut an: In einer Umfrage für die Tageszeitung „Libération“ bezeichneten 38 Prozent Macron als besten Kandidat der Linken für die Präsidentschaftswahl 2017, 28 Prozent votierten für Premier Manuel Valls und bloß elf Prozent der Befragten sprachen sich für Staatschef Hollande aus.

Glamourfotos mit Ehefrau

Macron stellt nicht in Abrede, dass er gern eines Tages mit liberal inspirierten Reformen die Rolle eines Tony Blair oder Gerhard Schröder in Frankreich spielen würde. Zwar lässt sich der Wirtschaftsminister noch nicht in die Karten schauen, doch er pflegt ganz offensichtlich sein Image. Dass er sich zusammen mit seiner rund zwanzig Jahre älteren Gattin Brigitte (sie ist seine ehemalige Französischlehrerin) in der Illustrierten „Paris Match“ samt Glamourfoto auf der Titelseite porträtieren ließ, hält er heute für eine „Dummheit“, die er nicht wiederholen möchte.

In der Politik entledigt er sich ebenso leichthin seiner Mitverantwortung. Denn ganz offensichtlich entspricht die Politik von Hollande nicht den Vorstellungen seines ehemaligen Beraters. Dessen Loyalität hat eben Grenzen – ganz im Gegensatz zu seinem Ehrgeiz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.