Pfingstfestspiele: Liebesnöte und Luxusnummern

Juan Diego Flórez.
Juan Diego Flórez.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Konzert zum Thema Romeo und Julia – mit Flórez, Gheorghiu, Bernheim und den Wiener Symphonikern.

„Ay, ay, ay, ay, ay“, klagte ein hingebungsvoll liebeskranker Juan Diego Flórez – und spätestens in diesem Moment war die Welt in Ordnung. Zum Abschluss der Salzburger Pfingstfestspiele sollten nochmals in einem gemischten Programm allerlei musikalische Inkarnationen des größten Liebespaares der Kunstgeschichte Revue passieren: Für „Romeo und Julia im Wandel der Zeiten“ waren als Solisten neben Flórez die kapitale Diva Angela Gheorghiu sowie der vielversprechende junge französische Tenor Benjamin Bernheim aufgeboten, der seine Karriere besonnen aufbaut. Mochten die Melomanen im Publikum zur Pause noch etwas enttäuscht darüber gewesen sein, dass die vokalen Beiträge zwischen den Orchesterschinken zu verschwinden drohten, bei den Zugaben wendete sich das Blatt: Selbstverständlich lodern die Flammen der Verzückung bis zur Decke des Großen Festspielhauses, wenn Flórez sich im Lagerfeuerstil bei „Cucurrucucú paloma“ und „Bésame mucho“ selbst auf der Gitarre begleitet.

Doch geht es ihm dabei keineswegs darum, bloß billige Begeisterung zu erzielen. Stattdessen liefert er, Hand in Hand mit seinem ganz locker und natürlich wirkenden Vortrag, in der genauen Abstimmung von Tongebung, Phrasierung, Färbung auch ein Lehrstück in stilreiner Aufführungspraxis – in diesem Fall eben von mexikanischen Unterhaltungsstandards. Zugleich erbringt Flórez den wunderbaren Nachweis, dass es für die ganz Großen keine kleine, weniger wertvolle Kunst gibt.

Flórez, Gheorgiu: Liebkosungen

Dieses Ziel verfehlte Angela Gheorghiu mit dem mangelhaft vorbereiteten Song „What Is a Youth“ aus Nino Rotas Score zu Zeffirellis klassischer Shakespeare-Verfilmung zwar deutlich, glänzte dafür jedoch in zwei Duetten aus Gounods Oper: der Handlung angepasst zunächst noch etwas verhalten mit Bernheim („Ange adorable“), als Finale dann mit Flórez im morgendlichen Zwiegesang des vierten Aktes („Va, je t'ai pardonné“), den die beiden auch darstellerisch mit allerlei Liebkosungen nachdrücklich untermauerten. Gheorghius abschließendes Encore, das „O mio babbino caro“, war dann nicht eine durch naive Schlichtheit raffiniert wirkende Bitte, sondern wurde als opulente Luxusnummer kredenzt, bei der sogar das Pianissimo noch etwas Pompöses hatte.

Dem schmiegten sich die Wiener Symphoniker unter Marco Armiliato an: glitzernd und duftig bei Bellini, schwelgerisch bei Gounod. Im Fall von Tschaikowskys Fantasie-Ouvertüre und Auszügen aus Prokofjeffs Ballett schien die äußere Verve zwar merklich gebremst, dafür erklangen die Farben beim Russen sonor gemischt und scharf umrissen. Bernheim suhlte sich dazu noch in Romeos Verzweiflung nach Noten des Riccardo Zandonai, ohne dass er veristische Extreme ausgereizt hätte: Runder, differenzierter Klang und ebenmäßige Phrasierung blieben ihm auch hier das Hauptanliegen. Jubelstürme der Festgemeinde für alle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2016)

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