Zagrebs Regierung zerbricht

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Die gegenseitige Antipathie der Koalitionspartner ist in offene Feindschaft umgeschlagen. Die Juniorpartei Most fordert nach einer Berater-Affäre die Absetzung des HDZ-Chefs Karamarko.

Zagreb/Belgrad. Die kurze Zeit des launigen Schulterklopfens ist in Kroatiens trudelndem Regierungsschiff längst vorbei. Sprachlos und mit versteinerten Mienen verfolgten Tomislav Karamarko, der Chef der konservativen HDZ, und sein Koalitionspartner Božo Petrov, Chef der Reformpartei Most, am Wochenende die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Streitkräfte. Zu sagen haben sich die beiden Stellvertreter des parteilosen Premiers, Tihomir Orešković, längst nichts mehr. Ihre gegenseitige, kaum verhüllte Antipathie ist im eskalierenden Streit um die zweifelhaften Beratergeschäfte von Karamarkos Frau in offene Feindschaft umgeschlagen.

Karamarko sei für die Regierung zu „einer Last“ geworden, sagt Petrov. Als Juniorpartner von Kroatiens erst seit Jahresbeginn amtierender Koalition will Petrov den Oppositionsantrag auf die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Vormann des großen Partners unterstützen. Doch obwohl sich alle sieben Regierungsmitglieder von Most Ende vergangener Woche für den Abtritt des einstigen Geheimdienstchefs ausgesprochen haben, will Karamarko selbst von einem Rückzug nichts wissen.

Most sei politisch unerfahren und „ein Bremser“ für jede Reform, ätzte er beim HDZ-Parteitag am Wochenende: „Niemand wird die HDZ ignorieren noch erniedrigen oder erpressen können.“

Seit ihrem Amtsantritt im Jänner liegt Kroatiens wenig homogene Koalition im ständigen Dauerclinch. Doch es sind die Enthüllungen über einen lukrativen, erst Ende 2015 aufgelösten Beratervertrag von Karamarkos Frau, an denen das Zweckbündnis vorzeitig zu scheitern droht. Mindestens 60.000 Euro soll die PR-Expertin Ana Šarić Karamarko nach Erkenntnissen der Zeitschrift „Nacional“ für ihre Beraterdienste von Josip Petrović kassiert haben, dem Lobbyisten des ungarischen Mineralölkonzerns Mol.

Dummerweise liegt Zagreb mit Mol schon seit Jahren im Streit. Es geht um die Führung des halbstaatlichen Ina-Konzerns, an dem die Ungarn mit 49 Prozent und der kroatische Staat zu 44,8 Prozent beteiligt sind. Derzeit bekriegen sich die beiden Haupteigentümer in zwei internationalen Schiedsverfahren. Die Opposition wirft dem HDZ-Chef in der Berater-Affäre einen offenen Interessenskonflikt vor. Auch die mitregierende Most sieht die Interessen des Landes durch die „unnatürlichen Geschäftsbeziehungen“ der Eheleute Karamarko mit dem Mol-Lobbyisten bedroht.

Die Abstimmung über den Antrag zur Amtsenthebung Karamarkos steht in Kroatiens Parlament erst in zehn Tagen an. Stimmen, wie angekündigt, zwölf der 15 Most-Abgeordneten für die Ablösung des HDZ-Chefs, will die HDZ die Koalition aufkündigen.

Besorgte Stimmen wie die des HDZ-Europa-Abgeordneten Andrej Plenković, der vor einer ähnlichen Lage für die Partei wie nach der Verhaftung des später wegen Korruption verurteilten Ex-Vorsitzenden Ivo Sanader warnt, sind in die HDZ jedoch die Ausnahme. Demonstrativ scharte sich die Partei am Wochenende hinter Karamarko.

Schlingerndes „Narrenschiff“

Auch wenn es der HDZ gelingen sollte, mithilfe kleinerer Splitterparteien oder abgeworbener Most-Dissidenten ihren Vormann vorläufig im Amt zu halten oder gar eine neue brüchige Mehrheit zu schmieden, scheinen die Tage der jetzigen Koalition gezählt. Es mehren sich die Forderungen nach Neuwahlen im Herbst. Eine Regierung gebe es nicht, nur eine „Handvoll Leute, die denken, dass sie die Regierung sind“, umschreibt das Online-Portal Index die Dauerturbulenzen.

Das, was sich in der Regierung abspiele, könne man mit einem richtungslos schlingernden „Narrenschiff“ vergleichen, auf dem alle den Steuermann mimen und auf das Auflaufen auf der erstbesten Sandbank warten: „Das Problem ist, dass es auf diesem Schiff auch noch vier Millionen Passagiere gibt – wir alle in Kroatien.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2016)

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