Mallorca: Bomben, Bier und Ballermann

(c) EPA (MONTSERRAT T DIEZ)
  • Drucken

Die Urlauber auf der Insel Mallorca reagieren trotzig auf die Anschläge der baskischen Separatistenorganisation ETA: „Wir lassen uns den Urlaub nicht verderben.“ heißt es in Palma de Mallorca.

PALMA DE MALLORCA. „Wir müssen endlich aufhören, wenig zu trinken“, grölt die Clique, „sonst werden wir heute nicht mehr voll.“ Die sechs jungen Männer aus dem deutschen Dorf Burgen an der Mosel tun alles, um ihrem Ferienmotto am Ballermann von Mallorca Genüge zu tun. Ein Literkrug mit Wodka Lemon steht schon um zehn Uhr morgens auf dem Holztisch im Szene-Biergarten „Bamboleo“. Dazu wird reichlich Bier in die Kehlen geschüttet.

Mit sechs ellenlangen Strohhalmen flößen sich die deutschen Kampftrinker ihr flüssiges Frühstück ein. Stimmen lautstark muntere Lieder an wie „Zehn Kisten Bier wollen wir haben“ oder „Hey, das geht ab“. Von Angst oder auch nur Sorge über die vergangenen Anschläge der baskischen Terrororganisation ETA auf Europas berühmtester Urlaubs- und Partyinsel keine Spur. Man habe dies ohnehin kaum mitbekommen, sagen sie mit schon etwas schwerer Zunge.

„Wir gehen das ganze Jahr malochen, um Urlaub machen zu können“, sagt Jens, nachdem sich seine kichernden Kumpanen wieder etwas beruhigt haben. „Das lassen wir uns nicht versauen.“ Die Freunde, alle knapp über 20, nicken beifällig. „Wir kommen, weil wir Spaß haben wollen.“ Schließlich lebe man ja nur einmal. Einer von ihnen, Kevin, hat zur Feier des Tages eine Königskrone aus Plastik aufgesetzt. „Wir haben einen König“, lobpreisen ihn feixend die anderen.

Die Stimmung in dieser Hochburg der deutschsprachigen Urlauber an der Playa de Palma, nur zehn Autominuten östlich der Inselhauptstadt Palma de Mallorca, ist gut. So gut, dass am Abend auf vielen Bierterrassen in diesem bekanntesten Vergnügungsviertel der Insel, das wegen seiner Saufkultur das Etikett „Ballermann-Viertel“ bekam, die Menschen wie Sardinen zusammengedrängt stehen. Gut bewacht von Polizisten, die diskret und oft in Zivil nach Verdächtigem Ausschau halten.

Am Vorabend hatte es auch an der „Schinkenstraße“, die zusammen mit der nahen „Bierstraße“, das Epizentrum der täglichen Mallorca-Party darstellt, Bombenalarm gegeben. Ein Auto hatte den Argwohn der Beamten geweckt. Wie in Dutzenden anderen Fällen in den letzten Stunden war es falscher Alarm. Seit die ETA am Sonntag in vier Damentoiletten zweier Restaurants, einer Bar und eines Geschäftslokals kleine Sprengsätze versteckte, ist die Nervosität groß.

Panik in Palma

Erst waren am 30.Juli zwei Guardia-Civil-Polizisten in dem eher von Briten bevölkerten Badeort Palmanova durch eine Autobombe getötet worden. Am 9.August folgte dann die Mini-Bombenserie in der Hauptstadt Palma, wodurch vor allem Panik ausgelöst werden sollte. Es gab keine Verletzten. Und die Schäden waren so gering, dass die Mallorquiner sich entsetzt fragen, wie im Ausland der irrige Eindruck entstehen konnte, dass die Insel von der ETA beinahe in Schutt und Asche gelegt worden sei.

„Das waren doch nur spielzeugartige Feuerwerkskörper“, erzürnt sich Manoli Pericas (31), die als mallorquinische Taxifahrerin täglich viele Urlauber über die Insel kutschiert. Vier Klosetts seien in die Luft flogen. Aber trotzdem. Die Unschuld der Insel sei nun endgültig dahin. Der Schaden für das Ansehen Mallorcas sehr groß. Und wenn das ETA-Terrorkommando irgendwo doch noch eine potentere Bombe mit Zeitzünder versteckt hat? „Hoffentlich nicht.“

Auch Toni (45) betet, dass es auf der Ferieninsel in den nächsten Tagen nicht wieder knallt. Es gebe zwar unter den Gästen keine Unruhe, berichtet der Kellner des Biergartens „Bamboleo“, aber unter den Gastronomen und Hoteliers der Insel schon. Der Umsatz sei, verglichen mit dem Vorjahr, ohnehin schon empfindlich eingebrochen. Rund zehn Prozent weniger Gäste. Die statt für 14 Tage auch oft nur für eine Woche kommen. Vor allem wegen der globalen Wirtschaftskrise.

Der Schweinegrippe habe auch nicht gerade geholfen. Und jetzt auch noch die Terrorsorge. „Die ETA will uns zerstören. Aber wir sind stärker.“

Dabei habe Mallorca doch bisher einen tadellosen Ruf als „Insel der Ruhe“, ja des Friedens gehabt, sagt Toni mit so ausholender Gestik, dass die Gläser auf seinem Tablett bedenklich zu tanzen anfangen. Die Urlaubshochburg an der Playa de Palma sei „wie ein zweites Deutschland“. Gastfreundlich und ein europäisches Dorf, in dem sich auch Österreicher, Schweizer und Luxemburger wohlfühlten. Dies gelte es zu verteidigen.

Einen Steinwurf entfernt, am feinen weißen Sandstrand, zeugen eine deutsche sowie eine bayerische Fahne an einem der vielen Strohsonnenschirme von erhöhter Verteidigungsbereitschaft. Familienvater Thomas Sauer (45), der zudem im Shirt des deutschen Fußball-Nationalteams auf der blauen Strandliege sitzt, will bewusst „Flagge zeigen“. Mit Frau, Tochter und der befreundeten Familie Hamdorf an seiner Seite schwört er: „Ich lasse mir den Urlaub nicht vermiesen.“

Kriminalität als Problem

In der Nacht zuvor hatte der stark und selbstbewusst wirkende Germane aus dem Ort Bessenbach bei Aschaffenburg bereits die Freiheit verteidigt. Er stellte eine Taschendiebin, die ihm im Biergarten das Portemonnaie aus der Hosentasche ziehen wollte. „Ich habe die festgehalten, bis die Polizei kam.“ Die hohe Kleinkriminalität, das sei das eigentliche Sicherheitsproblem an der Playa de Palma, ergänzt Sauers Frau. Jeden Tag höre man von Diebstählen.

An den verbreiteten Trickdiebstählen kann offenbar auch die Polizeiarmee wenig ändern, die auf Mallorca für die Sicherheit jener mehr als 300.000 Urlauber (davon ein Drittel Deutsche) sorgt, die sich derzeit auf der Insel aufhalten. Noch nie hat Mallorca, mit zehn Millionen Urlaubern pro Jahr das touristische Herz Spaniens, so viele Polizisten gesehen. Sie sollen die ETA-Terroristen jagen, weitere Anschläge verhüten und die prominentesten Urlauber der Insel, die spanische Königsfamilie, beschützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.