Simon Keenlyside kehrte mit Schubert zurück

(c) Wiener Konzerthaus
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Mit Malcolm Martineau gestaltete der Publikumsliebling umjubelt einen Liederabend.

Seit seinem unfreiwilligen Ausfall während der „Rigoletto“-Premiere im Dezember 2014 hat sich Bariton Simon Keenslyside fast ausnahmslos an die ärztlich verordnete Singpause gehalten. Nun geht er daran, sich vorsichtig die altgewohnte, meisterliche Form zurückzuerobern. Nicht nur als Opernsänger.

Begleitet von Malcolm Martineau, widmete er sich am Freitag im Konzerthaus mit Werken von Schubert dem von ihm ebenso geschätzten Liedfach. Thematisch zwischen Liebe (wie der zu Laura in „Seligkeit“) und Natur schwankend, stets den Tod umkreisend, kamen eine Vielzahl von Schuberts dichtenden Zeitgenossen zu Wort. Dabei trat Keenlyside vorrangig in der distanzierten Rolle des Erzählers in Erscheinung, die ihm besonders liegt und die er durch expressive Gestik unterstützt. Theatralisches gelang ihm in Liedern wie der Suche nach „Alinde“. Dort schlüpfte er in die Gestalt des Schnitters, des Fischers, des Jägers. An den aufbrausenden Stellen in direkter Rede kam sein überwältigendes Stimmvolumen voll zur Geltung.

Feinsinnig differenziert modellierte er hingegen Metastasios „Pensa, che questo istante“: Wo erst noch gute Ratschläge mit eindringlich nachhallenden Tönen zu vernehmen sind, geht deren Wiederholung in ein nachdenkliches Selbstgespräch über, bei dem die Zartheit der Worte in die Musik einfließt, sich aber in Stimme und Klavier sogleich in felsenfeste Überzeugung verwandelt. Dem Motto des Abends, „Abschiedsmelodie“, hätte dieses Stück jedoch nicht entsprochen, wenn Keenlyside zuletzt nicht auch die wehmütige Rückschau im fast seufzenden Ausdruck in Klang verwandelt hätte.

Etwas Mühe schienen dem rekonvaleszenten Bariton noch die allzu hohen Lagen abzuverlangen. Ironisierend wirkten allerdings dadurch die Wiederholungen in „L'incanto degli occhi“, die so einen neuen, eigenständigen Charakter gewannen. Leider gerieten die Oktavsprünge in „Des Fischers Liebesglück“ ungewollt unsauber. Fest und sicher dagegen die Phrasen in dunkleren Stimmbereichen. Keenlysides wohlbekannt sonore Tiefe veredelte die Hauptthemen des Abends, „umgeben vom Dunkel“.

Am 8. Dezember in der Staatsoper

Auf seinem Weg zurück ins Musikleben unternimmt Keenlyside auch Ausflüge in für ihn bisher fremde Gefilde: So ist er momentan in seiner ersten Musicalrolle an der Grange Park Opera (in Lionel Barts „Oliver“) zu erleben. Am 8. Dezember wird er als Macbeth sein Opern-Comeback an der Staatsoper feiern. (Vergangenen September war er in dieser Partie auf der Japan-Tournee des Londoner Royal Opera House zu hören).

Der dunkelste Punkt in Keenlysides künstlerischem Wirken scheint jedenfalls überwunden zu sein. Das Publikum wusste die mehr als respektable Leistung im Liedgesang gebührend zu würdigen – und stellte damit nach den unschönen Begleittönen während der „Rigoletto“-Premiere auch seinen eigenen Ruf wieder her.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2016)

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