Jedem seine Revolution

(c) Kiepenheuer & Witsch
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Die iranisch-deutsche Autorin Shida Bazyar erzählt von einer Familie, die zwischen den Welten lebt. Ein Buch wie ein reißender Strom.

„Die Revolution“, denkt sich Behsad im Jahr 1979, „wird jede Woche älter, und wir lieben dieses Land.“ Die Stimmung raubt den Protestierenden den Atem, Tag für Tag stürmen Behsad und seine Genossen die staubigen Straßen Teherans, werden „Teil der tosenden, grölenden Menge, Teil der Bewegung, Teil des Kampfes, und wir schleuderten unsere Fäuste gen Himmel“. In Räumen voll mit Zigarettendunst und vager Hoffnung haben Behsad und seine Leute von einem demokratischen Danach geträumt, aber was von der Revolution übrig blieb, waren Angst, Tod und Flucht.

Mit dem Kapitel Behsad beginnt die junge Autorin Shida Bazyar ihr berührendes Generationenbuch über eine iranische Familie, die nach Deutschland flüchtet. Das Jahr 1979 widmet die Autorin Behsad, das Folgekapitel 1989 Nahid, seiner Frau. Zu dem Zeitpunkt befindet sich die Familie bereits im Exil, das sich noch kalt und karg anfühlt. Das Kapitel Laleh (1999) folgt der ältesten Tochter zurück in den Iran, das Land ihrer Geburt. Während sich Laleh noch an Gerüche und Schemen ihrer Kindheit erinnern kann, ist der Iran für ihren kleinen Bruder Morad (2009) ein blankes Buch. Glaubt er zumindest. Als die grüne Protestbewegung ausbricht, zieht es Morad vor den Fernseher, zu den Massen, „die irgendwo in meinem Hirn etwas wachrufen, was mir sagt, dass es an mich gerichtet ist“.

Bazyars Stil ist atemlos, die Sätze wirken wie ein reißender Strom. Jeder Generation gibt sie ihre eigene Revolution, die zwar oft scheitert, aber irgendwann auch gelingen muss. duö

Shida Bazyar: „Nachts ist es leise in Teheran“, Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 20,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

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