Neuwahl in Spanien hat begonnen

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy APA/AFP (CESAR MANSO)
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Im Schatten des Brexits wählen die Spanier wieder ein neues Parlament. Die Parteien hatten es zuvor in sechs Monaten nicht geschafft, eine Regierung zu bilden.

Geduldig steht Jorge Gomez in der Schlange vor der Claudio Moyano Schule im Zentrum Madrids. Kurz vor dem Mittagessen wollen anscheinend besonders viele noch schnell ihre Stimme bei den spanischen Parlamentswahlen abgeben. Es staut sich vor dem Wahllokal.

Das Warten störe den 36-jährigen Automechaniker nicht weiter. Auch komme er damit klar, zwei Mal in einem halben Jahr wählen zu müssen. Aber er verstehe nicht, warum die Politiker die Botschaft der Bevölkerung bei den letzten Wahlen nicht verstanden haben. "Wir wollen eine neue Politik und ja, ein Ende absoluter Mehrheiten, in denen die jeweils regierende Partei macht, was sie möchte", stellt Gomez klar.

So denken heuer viele der 36 Millionen wahlberechtigten Spanier und brachten die spanische Parteienlandschaft bei den Parlamentswahlen am 20. Dezember ordentlich durcheinander. Sie sind empört über die Günstlingswirtschaft und Korruption in den beiden großen Volksparteien. Die makroökonomische Erholung kommt nicht bei vielen an. Die Arbeitslosenquote liegt nach acht harten Krisenjahren immer noch bei 22 Prozent. Die teils drastischen Wirtschaftsreformen der konservativen Regierung trieb nach Meinung vieler Spanier sogar große Teile der Bevölkerung weiter in die Armut, unterhöhlte den Sozialstaat.

Zwei neue Protestparteien

Um die konservative Volkspartei (PP) von Premier Mariano Rajoy und die Sozialisten (PSOE) von Oppositionsführer Pedro Sanchez abzustrafen und dem traditionellen Zwei-Parteiensystem ein Ende zu setzen, holten sie zwei neue Protestparteien ins Parlament. Die linke Podemos (Wir können) positionierte sich auf Anhieb nur knapp hinter den Sozialisten. Die liberale "Bürger"-Partei Ciudadanos wurde mit knapp 14 Prozent viertstärkste Kraft. Das Parlament teilte sich in zwei gleichstarke Lager in Rechts und Links, wobei jedes Lager aber noch mal unter sich zerstritten war. Effekt: Vier Monate lang konnten sich die Parteien nicht auf eine Regierungskoalition einigen. Neuwahlen mussten ausgerufen werden.

Gisela Jimenez findet das schade, aber nicht weiter schlimm. "Ich hoffe immer noch, dass ein Parlament mit mehreren starken Parteien und notwendigen Regierungskoalitionen der spanischen Demokratie auf kurz oder lang guttun wird. Und irgendwann müssen sie sich ja einigen", meint die 42-jährige Verkäuferin, die Podemos ihre Stimme geben wird.

Das könnte aber eher später als früher der Fall sein. Zwar riefen sämtliche Spitzenkandidaten am Sonntag erneut zu einer großen Wahlbeteiligung auf, um die institutionelle Blockade zu beheben und klarere Mehrheitsverhältnisse zu erreichen. Doch jüngste Umfragen lassen befürchten, dass die Wahlen am Sonntag mit einem ähnlichen Ergebnis und Machtverhältnis wie der Urnengang im Dezember enden wird.

Konservative als stärkste Kraft

Die Konservativen dürften mit rund 28 Prozent erneut stärkste Kraft werden. Die jüngsten Meldungen über die wirtschaftliche Erholung haben Premier Rajoy geholfen. Auch überstand er unbeschadet die schwierigen Koalitionsgespräche. Der Grund: Er nahm nicht an ihnen teil, da keine Partei mit ihm ein Bündnis eingehen wollte.

Vor allem aber untermauerte der aktuelle Schock der Spanier über den Brexit in Großbritannien seine Angstkampagne gegen die "linksextremen Abenteuer und Unerfahrenheit" von Podemos, die nach ihrem Wahlbündnis mit der kommunistischen Vereinten Linken (IU) die Sozialisten als zweitstärkste Partei ablösen dürften. Rajoy wirbt mit Stabilität und EU-Zugehörigkeit in unsicheren Brexit-Zeiten.

EU als Auslaufmodell

Podemos-Frontman Pablo Iglesias kam das ideologische Gemetzel zwischen Rechts und Links auch nicht ungelegen. Erklärte, der Wunsch der Briten, die EU zu verlassen, sei traurig, habe aber gezeigt, dass es sich um ein Auslaufmodell handle. Er spricht sich ähnlich wie die griechische Schwesterpartei Syriza vor allem für ein Ende der konservativen Austeritätspolitik Brüssels aus, die zu so viel Schaden in Europas südlichen Ländern führe.

Gleichzeitig gab sich Iglesias in der Wahlkampagne ungewöhnlich zahm, stellte radikale Ideen in den Hintergrund und verkaufte seine linkspopulistische Podemos sogar als Spaniens "neue Sozialdemokratie", um die linke Mitte zu gewinnen. Ein Plan der durchaus Erfolg haben könnte. Ob Spanien demnächst von Rechts oder Links regiert wird, hängt nun davon ab, ob Podemos am Sonntag die Sozialisten tatsächlich als politische Alternative zu den Konservativen ablösen wird.

(APA/AFP)

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