Der neue ÖBB-Boss: Höflich, jovial, unaufgeregt

Ein ÖBB-Urgestein wird ÖBB-Chef.
Ein ÖBB-Urgestein wird ÖBB-Chef. (c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Andreas Matthä übernimmt nach fast 35 Jahren bei den ÖBB deren Leitung. Er gilt als ruhiger Arbeiter ohne große Visionen. Eine Einladung zu politischer Einmischung?

Wien. Wozu eigentlich die Ausschreibung? Das Gesetz sieht sie vor. Aber als Andreas Matthä am 23. Mai zum interimistischen ÖBB-Chef bestellt wurde, dürfte schon mehr oder weniger klar gewesen sein, dass er den Job wohl etwas länger machen wird. Jedenfalls fiel hinter vorgehaltener Hand bald nur noch sein Name, wenn es um die ÖBB-Nachfolge ging.

Am gestrigen Montag kam dann auch die offizielle Bestätigung. Der ÖBB-Aufsichtsrat bestellte Andreas Matthä zum neuen Vorstandsvorsitzenden. Der Posten war bekanntlich vakant geworden, als sein Vorgänger, Christian Kern, Bundeskanzler wurde. Ko-Vorstand bleibt Finanzchef Josef Halbmayr, sein Vertrag läuft bis 2017. Auch er hätte wohl seiner Qualifikation nach als ÖBB-Chef getaugt, wird aber der ÖVP zugerechnet. Und die ÖBB-Spitze sollte von der roten Reichshälfte besetzt werden.

Der 53-jährige Andreas Matthä also. Er gilt als ÖBB-Urgestein, gleich nach der HTL heuerte er 1982 bei der Bahn an, seit 2008 war er Vorstand der Infrastrukturtochter der Bundesbahnen. ÖBB-Aufsichtsratspräsidentin Brigitte Ederer soll sich ihn als Bahnchef regelrecht gewünscht haben – jedenfalls war die Ausschreibung schon sehr auf ihn zugeschnitten: Der neue ÖBB-Chef solle über „fundierte Erfahrung in der Führung eines vertikal integrierten Eisenbahnkonzerns“ verfügen, hieß es da. Und eine „überzeugende Führungspersönlichkeit“ sein.

Darüber, ob Letzteres auf Matthä zutrifft, scheiden sich aber die Geister. Der neue ÖBB-Boss gelte nicht unbedingt als großer Durchstarter, heißt es aus seinem Umfeld. Er sei allerdings sehr nett und höflich – und jovial gegenüber Mitarbeitern. Jedenfalls kein Marktschreier, kein großer Visionär, eher ein „biederer Hackler“. Man kann ihm das auch positiv auslegen: Ihm wohlgesonnene Wegbegleiter nennen Matthä ruhig, unaufgeregt, stressresistent – einen, der jedem zuhört und der „die Sachen abarbeitet“.

Was auch eine gewisse Gefahr für das Unternehmen bedeuten könnte: Christian Kern war es gelungen, die Bundesbahnen aus der Tagespolitik herauszuhalten. Vor seiner Ära hatte es immer wieder politische Zurufe gegeben. Ob es nun unter Andreas Matthä wieder wie einst werden könnte? Man wird sehen.

Wer folgt nun Matthä nach?

Kern hat Matthä ein wirtschaftlicheres und schlankeres Unternehmen hinterlassen als jenes, das er 2010 übernommen hatte. Entsprechend hat sich auch das öffentliche Ansehen des Staatsbetriebes verbessert. Aber die Bahn blieb teuer: Rund 2,75 Milliarden Euro überweisen Bund und Länder jährlich an die ÖBB (Pensionszahlungen exklusive). Nur so ging sich im Vorjahr der von Kern angepeilte Gewinn von knapp 193 Millionen Euro aus. Dieser stellte außerdem Kostensenkungen von 500 Mio. Euro in Aussicht – geschafft hat er 335 Mio. Euro. Möglich, dass Matthä daran anknüpft. Den Personalstand kürzte Kern um knapp 2500 auf etwa 40.000. Mittlerweile ist weniger der Umfang der Belegschaft das Problem als deren Überalterung – das treibt die Lohnkosten.

Im dreiköpfigen Vorstand der ÖBB Infrastruktur hinterlässt Matthä nun eine Lücke. Seine Agenden – Finanzen, Markt, Service – betreuen vorübergehend seine Ko-Vorstände Franz Bauer und Franz Seiser. Matthäs Posten werde in Kürze ausgeschrieben, teilte der Konzern mit. Über die Nachfolge wird freilich schon spekuliert: Die Gerüchteküche nennt etwa Flughafen-Vorstand Julian Jäger, der eine Nähe zu SPÖ und ÖBB-Aufsichtsratspräsidentin Brigitte Ederer haben soll. Als „interne“ Lösung kursiert der Name Johann Pluy, der den Geschäftsbereich Kraftwerke in der ÖBB Infrastruktur leitet.

Auch Neo-ÖBB-Boss Matthä werden gute Kontakte zur SPÖ nachgesagt – politische Ambitionen soll er jedoch keine haben.

Zur Person

Andreas Matthä (53) wurde in Villach geboren und wuchs in Gmünd (NÖ) auf. Nach der HTL in Wien heuerte er 1982 bei der Bahn an. Den Magister für Unternehmensführung machte er berufsbegleitend. Bei der Bahn war er zunächst in der Bauaufsicht, 2005 wurde er Prokurist. 2008 wurde er Vorstand der ÖBB Infrastruktur, seit 2009 war er dort für Finanzen, Markt und Service verantwortlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2016)

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