Zalando - ein Jäger in der Rolle des Gejagten

File photo of an employee posing in a showroom of the fashion retailer Zalando in Berlin
File photo of an employee posing in a showroom of the fashion retailer Zalando in BerlinREUTERS
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2008 als Start-up gestartet, gilt Zalando heute neben Amazon als Schrecken der Einzelhändler. Selbst sieht man sich als Getriebener der Digitalisierung und Partner der Modeboutiquen.

Wien. Den Gegner umarmen statt ihn zu Boden ringen – so könnte man die Strategie umreißen, die der Online-Modehändler Zalando seit 2012 mit seinem Partnerprogramm verfolgt. 150 Marken, darunter Namen wie Mango oder Adidas, ließen sich bis heute auf diese Umarmung ein und banden ihre Markenartikel in den Onlineshop ein. Zalando-Vorstandsmitglied David Schneider bekräftigte kürzlich den Schritt vom Internetversand hin zur Modeplattform: „Ziel ist tatsächlich: Wir wollen zur digitalen Strategie unserer Markenpartner werden.“

„Wenn man die Möglichkeiten, die durch das Smartphone entstehen, konsequent zu Ende denkt, dann sind wir erst am Anfang der Digitalisierung“, betont Zalandos Regionalmanager für Österreich und die Schweiz, Dominik Rief.

Tausche Geld gegen Innovation

Konsequent zu Ende denken, heißt für den Konzern, dieses Jahr keine Dividende auszuschütten. 200 Millionen Euro Gewinn fließen heuer direkt in Investitionen zum Ausbau der Logistik. Der Entwicklungsdrang drückte das bereinigte Ergebnis der Berliner im ersten Quartal um 30 Prozent auf 20 Millionen Euro. „Man darf das erste Quartal nicht ohne Kontext betrachten, im Vergleich zu 2015 lag beispielsweise Ostern im März“, sagt Rief. Dennoch wird deutlich: Zalando ist gerade vollauf damit beschäftigt, alle Kundenwünsche auf einmal zu bedienen. Abhol- und Lieferzeiten werden in Pilotprojekten stetig heruntergefahren. Wie sich Zalando die Zukunft ausmalt, kann man aktuell in Berlin beobachten: Den Hauptstadtkunden wird während der Fußball-Euro die Ware am Tag der Bestellung direkt aus dem Adidas-Geschäft zugestellt.

Der Schritt vom Versandkatalog aus Papier hin zum Versandkatalog im Internet sei nichts gewesen gegen die aktuellen Umbrüche in der Ausrichtung, fasst es Rief zusammen. Alles soll bei den Berlinern, die 2008 als Start-up anfingen und heute als Konzern mit 10.000 Mitarbeitern in 15 europäischen Märkten in einem Atemzug mit Amazon genannt werden, vernetzter werden. Man will näher und schneller heran an Kunden, Markenpartner, Hersteller, Stylisten und Blogger. „Konkurrenz – das Wort versuchen wir zu vermeiden“, sagt Rief. „Die Entwicklungen gehen vom Kunden aus“, betont er gern. Etwa diese, dass rund 60 Prozent der 138 Millionen Besuche auf der Zalando-Website Ende 2015 bereits von mobilen Endgeräten kamen. Die Zalando-Version der jüngeren Geschichte des Modehandels liest sich etwa so: Man treibe nicht den klassischen Einzelhandel vor sich her, sondern sei selbst Getriebener der Kundenwünsche. Und wohl auch des direkten Konkurrenten Amazon, der ebenfalls Zustelloptionen auslotet und beim Modeversand mitfischt.

Shopping-Beratung per App

In Start-ups innerhalb des ehemaligen Start-ups rüstet man bei den Ideen auf: So entstand die Handy-App Zalon, die Betreuung durch einen persönlichen Shopping-Berater anbietet. „Ein Merkmal, von dem viele gesagt haben, das kann der Onlinehandel nicht“, sagt Rief mit einer gewissen Genugtuung. Eine weitere Antwort auf die Kundenwüsche ist eine App, die das Bedürfnis nach direktem Kontakt mit regionalen Herstellern abdecken soll, indem man ohne Zwischenschaltung des Warenlagers direkt bei diesen bestellt.

Der europäische Modemarkt setzte 2015 im Einzelhandel rund 420 Milliarden Euro um. Bei einem stetig wachsenden Online-Anteil von aktuell elf Prozent hält Zalando als größter Online-Modeversandhändler Europas nach eigenen Angaben bei weniger als einem Prozent des Gesamtmarkts. Luft nach oben gibt es also. „Man merkt, dass das Missverhältnis beim Onlinekauf zwischen Mode und anderen Produktkategorien wie Musik oder Büchern noch relativ groß ist“, sagt Rief. Zu viele Barrieren bestünden in den Köpfen der Kunden.

Gratis – außer bei Extras

Um diese niederzureißen, setzt Zalando auf gratis Zustellung und Abholung. Von Handelsexperten wird bezweifelt, dass es auf Dauer dabei bleibt. Das sei genau wie im klassischen Einzelhandel, betont Rief – bei H&M zahle man auch nichts, wenn man fünf Teile anprobiert. „Die Frage wird häufig gestellt. Bei Facebook steht immer noch auf der Startseite: ,Es ist und bleibt kostenlos.‘ Das sollten wir im Zalando-Shop vielleicht auch schreiben“

Die Gratisgarantie hält das Unternehmen aber nicht davon ab, für den forcierten Expressversand Geld zu verlangen. Die Zukunft des Onlinehandels wird schneller – ganz gratis wird sie wohl nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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