Frankreich: Das große Drama auf der Zielgeraden

Der Titel im eigenen Land bleibt für Abwehrchef Koscielny ein Traum.
Der Titel im eigenen Land bleibt für Abwehrchef Koscielny ein Traum.(c) APA/AFP/VALERY HACHE
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Dem Gastgeber blieb im EM-Finale die Krönung versagt. Antoine Griezmann ist dennoch Torschützenkönig und der Spieler des Turniers, ein schwacher Trost für die zweite Finalniederlage innerhalb von nur 43 Tagen.

Paris/Wien. Nur 48 Prozent der Franzosen hatten vor dem Beginn der EM Sympathie für die Équipe Tricolore empfunden. Der Wert kletterte mit jedem Sieg, vor dem Endspiel lag er bei 84 Prozent. Dort ist Frankreichs Titelmission aber in dramatischer Manier zu Ende gegangen. Als Favorit ins Finale der Heim-EM gestartet, rannten Antoine Griezmann und Co. erfolglos gegen Portugals Abwehrriegel an. Der Außenseiter entschied die Partie durch Eders Tor in der 109. Minute der Verlängerung für sich.

Frankreichs Teamchef, Didier Deschamps, musste im Stade de France mitansehen, wie der neue Europameister nun dort stand, wo er vor 18 Jahren den WM-Pokal überreicht bekommen hatte. Es werde Zeit brauchen, diese Enttäuschung zu verarbeiten, meinte er.

Frankreichs Fußball kann freilich voller Zuversicht in die Zukunft blicken, Paul Pogba, 23, Samuel Umtiti, 22, Kingsley Coman, 20, und Anthony Martial, 20, können noch etliche Jahre im Teamtrikot spielen. Auch Torschützenkönig Griezmann – den Goldenen Schuh nahm er regungslos entgegen – ist erst 25 Jahre alt. Der Angreifer war schwach in die EM gestartet, hatte sich danach in die Herzen der Fans gespielt und wurde von der Uefa zum Spieler des Turniers gekürt. Auch im Finale fand Griezmann Chancen vor, seine Ausbeute von sechs Turniertoren erhöhte er aber nicht mehr, vor dem Gegentreffer leistete er sich zudem einen Ballverlust.

Superstar mit Finaltrauma

Der Angreifer von Atlético Madrid stapfte nur 43 Tage nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Real Madrid wieder nach einem Endspiel als Verlierer vom Platz. „Es ist frustrierend und nervig, aber so ist Fußball“, meinte Griezmann. „Portugal hatte nicht viele Chancen, aber sie haben schlau gespielt.“ Auch seine Nebenleute, Dimitri Payet und Olivier Giroud, blieben wirkungslos. Zuvor hatte das Trio zehn Tore erzielt.

Deschamps spendete seinem Schützling Griezmann Trost. „Vielleicht war er heute nicht kaltschnäuzig und frisch genug. Aber ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Ich bin sicher, es werden für ihn bessere Tage kommen“, meinte der Coach. Der 47-Jährige darf sich trotz Finalniederlage ein wenig wie ein Gewinner der Heim-EM fühlen. 2012 hat Deschamps die wegen Disziplinlosigkeiten verrufene Nationalelf übernommen und zu einer starken, homogenen Einheit geformt. „Es gibt positive Aspekte, die Atmosphäre ist völlig anders, aber darüber können wir später sprechen“, erklärte er in St. Denis.

„Eine aufregende Zukunft“

Deschamps wird die Mannschaft wohl auch zur WM 2018 in Russland führen. Sein Vertrag ist bis zum nächsten großen Turnier datiert. Unterstützung bekam er vom ehemaligen Teamkollegen Thierry Henry: „Ich denke, er ist der Richtige für den Job.“ Frankreich startet am 6. September in Weißrussland in die WM-Qualifikation. Weitere Gegner sind die Niederlande, Schweden, Bulgarien und Luxemburg. „Das ist nicht das Ende des Weges. Auch wenn es heute hart ist. Aber wir sollten daran denken, dass bessere Tage und eine aufregende Zukunft vor uns liegen“, erklärte Deschamps. (ag./joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

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