Bürgermeister diskutieren über Flüchtlingspakt mit der Türkei

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In Athen fand die zweite Konferenz der Initiative Act.Now statt, die auf eine Idee des Künstlers André Heller zurückgeht. Ziel der Initiative ist, Auswege aus der Flüchtlingskrise zu finden. Dieses Mal stand das Treffen im Schatten der jüngsten politischen Ereignisse in der Türkei.

Athen. Gerade die Abwesenheit vieler türkischer Konferenzteilnehmer sprach Bände: Die zweite Konferenz der Initiative Act.Now am Wochenende in Athen hatte sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen des EU/Türkei-Pakts zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms auf der Ostägäis-Route vom 18. März auszuloten. Die Initiative Act.Now geht auf eine Idee des österreichischen Künstlers André Heller zurück. Die erste Konferenz fand vor einem halben Jahr in Wien statt.

Aus der Türkei schaffte es nur der Bürgermeister von Dikili; die anderen waren aufgrund der Ereignisse im Gefolge des missglückten Putschs in der Türkei gezwungen, zu Hause zu bleiben. Die Ereignisse in der Türkei gaben dem Meinungsaustausch unerwünschte Aktualität – die Unsicherheit über die Zukunft der Vereinbarung EU/Türkei war, angesichts der immer weiter fortschreitenden Entfremdung zwischen der EU und dem türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, allgegenwärtig.

Gerald Kraus von der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI), der maßgeblich am Entstehen des Abkommens mitgewirkt hatte, verwies auf Erfolge: Seit 20. März sei das Flüchtlingsaufkommen drastisch zurückgegangen, und es habe keine Toten mehr in der Ägäis gegeben. Knaus glaubt an die Zukunft der Vereinbarung; sie liege im Interesse beider Seiten. Er wies aber auch darauf hin, dass ein wesentlicher Bestandteil des Abkommens nicht erfüllt wurde: Es habe so gut wie keine Umverteilung von Syrern aus der Türkei nach Europa gegeben.

Stau auf griechischen Inseln

In der Woche nach dem Putschversuch kamen 617 Flüchtlinge nach Griechenland, weniger als hundert am Tag – sicher kein Hinweis auf eine neue Flüchtlingswelle.

Vor allem Griechen äußerten allerdings die Sorge, dass nun vermehrt türkische politische Flüchtlinge die Grenzen überschreiten würden – abgesehen von den acht Hubschrauberpiloten, die sich in der Putschnacht abgesetzt hatten. Kritischer stehen dem Abkommen die Vertreter der Inseln Samos und Chios gegenüber. Auf diesen Inseln sowie auf Lesvos, Leros und Kos stauen sich die Migranten seit Inkrafttreten des Abkommens am 20. März, zurzeit insgesamt um die 8700. Ursprünglich hat es geheißen, dass all diese Personen in die Türkei zurückgeschoben werden. Das sollte die Anreize für die gefährliche Überfahrt reduzieren.

Bisher wurden aber nur ein paar Hundert Wirtschaftsflüchtlinge abgeschoben. Die Ursache: Die Angekommenen stellen Asylanträge, die entweder noch in Bearbeitung sind oder denen, meist in zweiter Instanz, stattgegeben wurde. Wer Asyl erhält, muss nicht in die Türkei zurück, aber in Griechenland bleiben. Das ist eine der großen Überraschungen bei der Umsetzung des Abkommens: In vielen Entscheidungen der Berufungskommissionen wurde die Türkei nicht als sicheres Drittland gewertet – damit hat man offensichtlich nicht gerechnet, als man am 18. März vereinbarte, dass sich für jeden rückgeschobenen Syrer ein anderer von der Türkei aus auf den Weg nach Europa machen kann.

Die Situation in den Lagern auf Lesvos und Chios ist angespannt, die Lebensbedingungen sind schlecht. Den Bürgermeistern bleibt nichts anderes übrig, als mehr Kompetenzen und Geld für Lager- und sonstige Infrastruktur zu fordern. In den Gemeinden an der Grenze zu Mazedonien ist es ruhig geworden, nachdem die Grenze gesperrt und das Lager Idomeni aufgelöst worden ist. Doch nun haben die Schlepper wieder ihre Tätigkeit aufgenommen. 100 bis 150Menschen täglich dürften Griechenland über die grüne Grenze illegal in Richtung Norden verlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2016)

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