Ist die Glaubwürdigkeit einmal verspielt

(c) APA/AFP/PEDRO UGARTE
  • Drucken

Buhrufe für russische Sieger, Pfiffe für chinesische Sportler – Rio spürt deutlich die Folgen der Dopingplage.

Dopingsünder oder Betrüger haben es dieser Tage bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro wirklich nicht leicht. Den (enttäuschend wenigen) Zuschauern ist das Herumeiern der Olympiafunktionäre in der Russland-Krise vollkommen egal, sie pfeifen bei den Vorstellungen von russischen Athleten. Es hagelt Buhrufe, wenn vorbelastete Chinesen aufgerufen werden, und selbst beim Abspielen der Hymnen werden die Proteste unüberhörbar lauter.

Die Sportwelt hat nicht mehr nur ein Problem mit Dopingsündern, ihre Teilnahme und der ungeheuer lasche Umgang mit diesem Thema haben die Sportszene gespalten – und damit Athleten und Fans großteils die Freude genommen. Vor allem ist es der Verlust der Glaubwürdigkeit, die das Ringspektakel in eine Farce verwandelt. Guter Russe, böser Russe, sauber, gedopt, zu Unrecht beschuldigt, Unschuldsvermutung – dem Fan, der viel Geld für die aus brasilianischer Sicht sehr teuren Tickets ausgibt, gefällt diese Komödie nicht mehr. Man pfeift, johlt, bleibt dem Bewerb fern. Doch solange die TV-Quoten und Transaktionen stimmen, wird von den Offiziellen nicht mit der Brechstange eingegriffen werden. Pecunia non olet.

Wie sehr Freunderlwirtschaft, Anfeindungen und Funktionärswesen derzeit auseinanderdriften, spiegelt die Entscheidung der Paralympics wider, die Russland ohne Weiteres von ihren Spielen komplett ausgeschlossen hat. IPC-Präsident Sir Philip Craven hielt sich mit seiner Einschätzung keineswegs vornehm zurück: „Russlands System ist korrupt. Der Wada-Bericht ist eine der dunkelsten Stunden im Sport.“ Es war mehr als nur eine verbale Ohrfeige für IOC-Präsident Thomas Bach und seine alle Fakten ignorierende Zögerlichkeit in dieser Causa. Und dennoch, es diente all den Russen, die hier in Rio sind und sauber unterwegs sind, keineswegs.

Egal, ob nun Julija Jefimowa oder Sun Yang aus dem Pool klettert, egal, ob Gewichtheber, Ringer oder Sackhüpfer: Hat er/sie eine Dopinghistorie, wird in Rio gepfiffen. Es erinnert an miserable Fußballspiele der Bundesliga, an Enttäuschungen bei grottenschlechten Konzerten, an manch Rede eines Politikers – die Nation ist in diesem Fall unbedeutend. Ist die Glaubwürdigkeit einmal verspielt, ist dieses Gut auf ewig verloren. Und haben Funktionäre mit ihr, dem Geschäft zuliebe, sorglos gespielt und den Betrug toleriert, ist die Show ohnehin nicht zu retten.

Wie glaubhaft sind nun die Rekorde der anderen, die eventuell gegen Ex-Dopingsünder gewonnen haben? Und wie seriös sind die Ausführungen eines amerikanischen Ex-Dopers, der 34 Jahre alt ist und geläutert sein will, aber weiterhin schneller läuft denn je?

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.