Das Beste kommt immer zum Schluss

Vor US-Schwimmer Michael Phelps bleibt einem nichts anderes mehr übrig: Hut ziehen und applaudieren.

Was haben Legenden wie Johnny „Tarzan“ Weissmüller, Bud Spencer, Mark Spitz, Michael Gross, Alexander Popow, Ian Thorpe, Pieter van den Hoogenband etc. und Michael Phelps gemein? Sie alle sind Ausnahmeerscheinungen im Schwimmsport, Rekordsammler oder Goldhamster. Doch eine Sparte macht den US-Amerikaner Phelps einzigartig – keiner gewann mehr Olympiagoldene als er. 21 waren es bis Dienstag bei seinen fünften und letzten Spielen.

Dass er 31 Jahre alt ist, ADHS- und Alkoholprobleme meisterte, Depressionen überwand sowie Strafzettel en masse anhäufte, sorgte im so korrekten Amerika für Aufsehen. Die ganze Sportwelt weiß alles über ihn, doch von nun an betrachtet man Phelps aus einer ganz anderen Perspektive. Diejenigen, die nach Unfällen, Schicksalsschlägen oder unendlichen Tiefs zurückkommen – und auch Erfolg haben, sind im Sport geradezu unsterblich. Andere, etwa Markus Rogan, sind nach ihrem Karriereende nur noch Mitläufer, Besucher in dieser Olympiawelt und ringen verzweifelt mit dummen Aussagen um Aufmerksamkeit.

21 Goldene, Spannweite über zwei Meter, Schuhgröße 48,5 – es sind durchwegs Superlative, die Phelps, der in Ganzkörperanzugszeit triumphieren konnte, das aber heute auch noch in einer ganz simplen Badehose schaffen könnte, umgeben. Es droht beinahe in Vergessenheit zu geraten, dass er 27 Weltrekorde aufgestellt oder 2008 in Peking allein acht Siege gefeiert hat. Auch das ist Rekord, Spitz schaffte 1972 in München „nur“ sieben.

Phelps aber wollte einen ganz anderen Zahlen- und Zeitsprung vollenden. Einen, der offenbart, wie ehrgeizig er denn wirklich ist und wie sehr er den Schwimmsport, im Speziellen das Rennen über 200Meter Delfin, so liebt: In Sydney 2000 war er als 15-jähriger Teenager erstmals ins Olympiabecken gesprungen, 16Jahre später gewann er über diese Strecke Gold.

Der Amerikaner hat eine Wandlung vollzogen, die einem nur gelingt, wenn man eine Familie gründet und die neue Dimension von Werten auch richtig verstanden hat. Nichts ist wichtiger als das Wohl der Familie, in Kombination freilich mit der eigenen Gesundheit, dem eigenen Wohlbefinden. Und, er versteht auch endgültig den Faktor Zeit. Er kam noch einmal zurück, um Gold zu schürfen, nach Rio aber ist diese großartige Karriere endgültig vorbei. Phelps verabschiedet sich als größter Olympionike, als strahlender Sieger und nicht als abgehalfteter, alter Exstar, der den rechten Augenblick zum Absprung verpasst und seinen jahrelang gepflegten Mythos zerstört hat. Eventuell ist das sogar sein allergrößter Erfolg überhaupt. Das Beste kommt immer zum Schluss.

E-Mails an:markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2016)

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