„Ich war 30 Jahre Polizist in Alpbach“

 Otto Rohregger
Otto Rohregger (c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Diebstähle, Körperverletzungen, Unfälle, ein Mord und kein einziger unaufgeklärter Fall. Drei Jahrzehnte lang sorgte Kontrollinspektor Otto Rohregger in Alpbach für Recht und Ordnung.

In Alpbach herrscht während des Europäischen Forums selbstverständlich die höchste Sicherheitsstufe. Auch, wenn man im Ort kaum Security und Polizisten sieht. Immerhin sind unter den Gästen hochrangige Politiker wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák, sein ukrainischer Amtskollege Pawlo Klimkin und der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Dazu zahlreiche österreichische Minister. Sie alle genießen während ihres Aufenthaltes besonderen Schutz – und somit indirekt auch die Alpbacher Bevölkerung. Wie genau dieser Schutz aussieht, will die Landespolizeidirektion nicht verraten – aus taktischen Gründen. Der Umfang des Einsatzes werde erst nach dem Europäischen Forum veröffentlicht, heißt es auf Anfrage der „Presse“.

Aber wie steht es im Rest des Jahres um die Sicherheit und Kriminalität im Tiroler Bergdorf? Welche Delikte sind die häufigsten? Wo muss die Polizei am öftesten schlichten? Otto Rohregger hat dazu viel zu erzählen. Bis zu seiner Pensionierung war er 30 Jahre lang Dorfpolizist in Alpbach – zunächst als Bezirksinspektor, später als Kontrollinspektor. „Wie in vielen anderen Gemeinden hatten wir auch in Alpbach die komplette Palette an Delikten“, sagt der 74-Jährige. „Von Körperverletzung und Streitereien über Verkehrsunfälle, Diebstähle und Brände bis hin zu schweren Kriminaldelikten.“ Darunter auch ein Mord. In den 1980er-Jahren habe ein englischer Staatsbürger in einem Hotel seine Lebensgefährtin getötet. Die beiden waren auf Urlaub in Alpbach. „Es war eine Beziehungstat“, sagt der Kramsacher. „Näher ins Detail kann ich leider nicht gehen, ich unterliege immer noch meiner Verschwiegenheitspflicht.“

„Leute sind ständig beschäftigt“

Generell liegt Alpbach dem pensionierten Polizisten zufolge im Vergleich zu anderen Dörfern bei der Kriminalität eher unter dem Durchschnitt. Was er auf den starken (Kongress-)Tourismus und die dadurch bedingte „ständige Beschäftigung“ der Bevölkerung zurückführt. Auch die Alkoholexzesse der Jugendlichen seien überschaubar, meint er. Vor allem ihre Familien hätten ein Auge darauf, schließlich habe der Ort einen Ruf zu verlieren.

Die aufregendste und arbeitsintensivste Zeit seien jedenfalls immer die beiden Wochen während des Europäischen Forums gewesen. „Da fallen mir viele Anekdoten ein“, sagt er. Etwa jene, als er zusammen mit einem Kollegen den damaligen Finanzminister Hannes Androsch chauffiert und er sie nach ihren Gehältern gefragt habe. „Wir dachten, wir nutzen die Gunst der Stunde und sagen ihm, dass es ruhig ein bisschen mehr sein könnte, bis wir gemerkt haben, dass er sich bei unserer Gehaltstabelle besser auskennt als wir selbst. Das ging in die Hose, war aber halb so schlimm.“

Einmal habe er den damaligen US-amerikanischen Landwirtschaftminister und israelischen Verteidigungsminister spontan auf eine Alm fahren müssen, weil die beiden kurzerhand beschlossen hätten, eine Bergalm zu sehen. Im Ferienhaus Schneiderhäusl sei er oft einer der Bewacher von vertraulichen Treffen zwischen dem damaligen Kanzler, Bruno Kreisky, und dem Tiroler Landeshauptmann, Eduard Wallnöfer, gewesen. „Natürlich immer schön im Hintergrund, damit niemand etwas von den Treffen mitbekommt“, sagt Rohregger. „Sie können davon ausgehen, dass bei diesen Gesprächen viele große Entscheidungen für das Land getroffen wurden.“ Zu den tragischsten Ereignissen während seiner Dienstzeit habe der Lawinentod eines deutschen Polizeichefs aus Rosenheim gehört. Der Bergsteiger dürfte am Galtenberg unter eine von ihm selbst ausgelöste Lawine geraten sein.

Trotz großer Suchaktionen wurde der Mann erst Monate später gefunden – im Mai, als der Schnee schmolz. „Suchtrupps aus Österreich und Deutschland haben die Gegend immer wieder abgesucht, auch mit Hubschraubern“, erinnert er sich. „Hinzu kamen die ständigen Medienanfragen, das war wirklich eine sehr schwere Zeit für die Kollegenschaft.“

Insgesamt denke er aber sehr gern an seine Zeit in Alpbach zurück – nicht nur, weil kein einziger Fall unaufgeklärt blieb. „Zu seiner Zeit“, wie er es nennt, seien die Polizisten in den einzelnen Orten noch deutlich präsenter gewesen. Heute müssten sie mehr Gemeinden betreuen als früher. „Ich habe im besten Einvernehmen mit der Bevölkerung gelebt. Mit gegenseitigem Respekt“, sagt der Pensionist. „Noch heute kennt und schätzt man mich in Alpbach als ihren Polizisten, der hier 30 Jahre lang seinen Dienst versehen hat.“

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