Ein Bergdorf als Labor für Utopien

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Das Generalthema des Europäischen Forum Alpbach 2017 wird „Konflikt & Kooperation“ sein. Ziel ist, Räume für Möglichkeiten zu schaffen – und neue Ideen erlebbar und damit begreifbar zu machen.

„Dann probieren wir es doch einmal aus!“ Es ist ein Satz, der optimistisch stimmen soll. Den Startpunkt markieren, wenn es vom Denken zum Tun geht. Und nicht zuletzt ein Satz, der den Geist von Alpbach in sich trägt. Und der sei, meint Philippe Narval, Geschäftsführer des Europäischen Forum, in Österreich dringend notwendig. „Die Österreicher sind so problemorientiert.“ In dem Sinn nämlich, dass sie bei einer Betonfläche einfach nur eine Betonfläche sehen. „Und nicht die Grashalme, die dort herauswachsen.“ Ein Bild, mit dem er ausdrücken will, dass man hierzulande mehr auf die Möglichkeiten schauen sollte, die sich vielleicht erschließen.

Genau dort soll das Forum ansetzen. „Es ist sinnvoll, Möglichkeitsräume zu schaffen.“ Also Orte, an denen man im Kleinen lernen kann, wie manche radikal wirkende Idee einfach umgesetzt werden können. Bei den Baukulturgesprächen seien das etwa Ideen, die in einzelnen Städten ausprobiert werden. „Und die können wir dann skalieren.“ In Alpbach sind diese Möglichkeitsräume die vielen Veranstaltungen, die Gesprächsrunden, der Austausch untereinander. All das habe heuer noch besser funktioniert als früher – nicht zuletzt dank der Erweiterung des Forums mit dem neuen Congress Centrum.

Tiefer in die Gesprächskultur tauchen

„Die Möglichkeit, mit den Teilnehmern mehr Raum zu haben, hat schöne Effekte“, sagt Narval. „Man kann viel tiefer in die Alpbacher Gesprächskultur eintauchen, die sonst in der Pause passiert ist.“ Einfach dadurch, dass man sich etwa nach einer Veranstaltung mit den Vortragenden noch in kleinerer Runde zurückziehen und die Inhalte vertiefen könne. Wobei kleiner hier bedeutet, dass man vom großen Saal in einen kleineren wechselt, wo aber immer noch einige Dutzend Menschen Platz finden. „Es gibt jetzt die offene Einladung an alle Zuhörer, nachher mitzudiskutieren.“

Dabei werde deutlich, wie sehr die Teilnehmer an neuen Impulsen interessiert sind. Gerade in einer Zeit mit massiven Umbrüchen in vielen Bereichen – politisch, wirtschaftlich, technisch – und so vielen parallelen Erklärungsmustern sei die Sehnsucht nach Utopien groß. Nach Modellen, die anders sind als die, die bisher zur Erklärung der Welt angeboten wurden. Nach dem diesjährigen Generalthema „Neue Aufklärung“, bei dem all diese Bereiche thematisiert, diskutiert und in ihre Einzelteile zerlegt betrachtet wurden, soll es bei der kommenden Auflage 2017 um „Konflikt & Kooperation“ gehen.

Es sind zwei Begriffe, die weniger hochgeistig klingen mögen, weil man dabei eben nicht schnell Kant, Rousseau oder Voltaire ins Spiel werfen kann. Die aber eine Schablone anbieten, an die sich aktuelle Phänomene anlegen lassen. „Etwa neue Organisationsformen“, meint Narval, die unter Schlagworten wie Open Source oder Sharing Economy daherkommen. Nur, dass Vorreiter dieser neuen Denke, die viel Potenzial für das Schlagwort Kooperation beinhalten, selbst gerade dabei sind, Monopole zu schaffen – etwa der Fahrtendienst Uber, der den Gedanken des Teilens zum Aufbau einer mächtigen Firmenstruktur nützt. Womit auch das Schlagwort des Konflikts bedient ist.

Und nein, das bedeute nicht, dass man das Phänomen des Maschinenstürmens in die heutige Zeit transferieren müsse. Und doch gelte es, den ersten negativen Erscheinungen von Dominanz aus dem Silicon Valley, wie es Narval nennt, entgegenzutreten. Etwa, indem man wieder ein Primat der Politik schafft, die zuletzt an Durchschlagskraft verloren hat. „Aber das geht nicht mit den Strukturen des 20. Jahrhunderts – ein Nationalstaat wird das so nicht schaffen.“

Die Diskussion darüber, wie es denn nun gehen soll, die müsse geführt werden. Und das mit einer neuen Konfliktkultur. Weg vom Cocooning in sozialen Netzwerken, wo am Ende doch nur die Emotion die Richtung vorgibt. Raus in die Diskussion – mit Argumenten. „Und für Streitkultur braucht es Orte, wo man streiten kann. Als Mensch, nicht an einem fiktiven Ort.“ Und ohne ideologische Scheuklappe – denn das sei ein großes Problem, so Narval. Sobald man eine Idee habe, werde man in ein ideologisches Eck gesteckt. Und nicht zuletzt soll die Diskussion auch in einem Format geschehen, das Welten verbildlichen soll. Soll heißen weg von Charts und Projektionen, hin zu Kunst, die Komplexität neu vermitteln kann. Und damit Utopien greifbar, spürbar, erlebbar macht. Mit dem Ziel, dass am Ende des Forums 2017 wieder der Satz steht: „Dann probieren wir es doch einmal aus.“

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