Karl Dietrich Bracher ist gestorben

Karl Dietrich Bracher
Karl Dietrich Bracher(c) Uni Bonn
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Der Nestor der deutschen Zeitgeschichtsforschung ist in seinem 95.Lebensjahr gestorben. Ein Nachruf auf den "Lehrer der Bonner Republik".

Es ist ein Privileg der Geisteswissenschaften: Manchmal (selten) erscheinen Werke, die noch nach Jahrzehnten lesenswert sind. Solche Bücher hat der Historiker und Politikwissenschaftler Karl Dietrich Bracher geschrieben. Sie sind heute längst vergriffen, haben aber ihren Ehrenplatz in den Bücherregalen all derer, die im vorigen Jahrhundert (Zeit-)Geschichte studiert haben.

Bracher, eigentlich gelernter Althistoriker, begründete an der Universität Bonn 1953 das Fach Politische Wissenschaft, eine ganze Generation deutscher Politiker der damals noch Bonner Republik wurde durch seine Seminare geprägt. Seine Studien gelten als geistiges Fundament eben dieser Republik. Als Pionierwerk gerühmt wird bis heute seine Habilitationsschrift „Die Auflösung der Weimarer Republik“ (1955), eine detaillierte Struktur- und Ereignisgeschichte der Jahre vor Hitlers Machtergreifung.

Der "Lehrer der Bonner Republik"

Es folgten die Bände „Die nationalsozialistische Machtergreifung“ und „Die deutsche Diktatur“, die in das überaus komplexe Bild des Nationalsozialismus erstmals „perspektivische Ordnung“ (Joachim Fest) brachten. Die deutsche Generation nach 1945 erhielt hier (in einer Zeit, als man noch nach dem Sinn von Zeitgeschichte fragte) die überzeugenden Antworten auf die Frage, die damals noch alle umtrieb: Wie ist es zu verhindern, dass auch die zweite deutsche Demokratie scheitern würde und was könne man aus  der Zerstörung der Weimarer Republik für die Zukunft lernen.

Der Nestor der deutschen Zeitgeschichtsforschung wurde 94 Jahre alt, als „Lehrer der Bonner Republik“ und Praeceptor Germaniae würdigt ihn die FAZ in ihrem Nachruf, die Universität Bonn, der er ein Leben lang treu blieb, preist ihn als „einen der herausragendsten Wissenschaftler“. Nach dem Tod von Ernst Nolte vor kurzem hat die deutsche Geschichtsschreibung in kurzer Zeit zwei große Persönlichkeiten verloren. Bracher starb in der Woche, in der eine Partei, die sich um eine positive Umdeutung des Begriffs „völkisch“ bemüht, deutsche Landtage im Sturmlauf erobert. Sein Kommentar zu dieser Art von neuem Nationalismus wäre dringend vonnöten.

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