Berlin findet keinen Bundespräsidenten

Theologin Margot Käßmann
Theologin Margot Käßmann(c) imago/epd
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Am Mittwoch schlug die evangelische Theologin Margot Käßmann das Angebot von Vizekanzler Sigmar Gabriel aus. Die Suche nach einem Kompromisskandidaten der Koalition gestaltet sich weiter schwierig.

Berlin. Ein Naheverhältnis zur (evangelischen) Kirche erhöht in Deutschland offenbar die Chancen, eines Tages Bundespräsident zu werden. Amtsinhaber Joachim Gauck, der keine zweite Periode anhängen möchte, war einst Pastor in der DDR. Am Mittwoch wurde plötzlich Margot Käßmann, die frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche und Landesbischöfin in Hannover, als Kandidatin gehandelt. Ins Spiel gebracht von SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Der Vizekanzler, berichtete die Funke-Mediengruppe, habe bei Käßmann, die 2010 nach einer Alkoholfahrt von ihren Ämtern zurückgetreten war, angefragt. Die 58-Jährige sei aber unschlüssig, hieß es. Wenig später kam die Absage: Sie fühle sich zwar geehrt, sagte Käßmann, derzeit Botschafterin für das 500. Reformationsjubiläum im nächsten Jahr, der „Berliner Zeitung“. „Allerdings stehe ich für dieses Amt nicht zur Verfügung.“

Für Gabriel war das der nächste Korb. Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hatte schon vor einigen Wochen abgesagt. Mit ihm hätte auch Angela Merkel leben können. Bei Käßmann war die Zeit zu kurz, um das herauszufinden.

Eigentlich haben sich Union und SPD auf einen gemeinsamen, im besten Fall überparteilichen Kandidaten verständigt. Auf einen wie Joachim Gauck. Vor allem die Kanzlerin soll angesichts des AfD-Hochs wenig Lust auf einen wochenlangen Koalitionsstreit um das höchste Amt im Staat haben. Außerdem will sie nach drei für sie problematischen Präsidentenwahlen eine weitere Niederlage vermeiden. Merkel hatte Horst Köhler und Christian Wulff durchgesetzt – beide traten dann vorzeitig zurück. Und Joachim Gauck wurde ihr 2012 aufgezwungen.

Dieses Mal soll alles anders werden. Nur ist so ein gemeinsamer Kandidat schwerer zu finden, als Merkel und Gabriel glauben wollten. Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Norbert Lammert könnten die Sozialdemokraten nicht leben. Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der beliebteste Politiker des Landes, soll in der Union nicht mehrheitsfähig sein.

Theoretisch wären bei der Wahl am 12. Februar auch andere Allianzen möglich. Kurz hatte Merkel mit dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, dem Realo-Grünen Winfried Kretschmann, spekuliert. Schwarz-Grün hätte eine Mehrheit in der Bundesversammlung. Allerdings wäre bei Kretschmann nicht einmal sicher, dass alle Grünen für ihn stimmen.

Rot-rot-grüne Allianz wäre riskant

Auf Käßmann wiederum hätten sich SPD, Linke und Grüne einigen können. Die ehemalige Pastorin sei eine starke Persönlichkeit, sagte Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Ähnlich äußerte sich Linkspartei-Chef Bernd Riexinger. Ein rot-rot-grüner Kandidat wäre jedoch ein gewagtes Projekt. Man hätte frühestens im dritten Wahlgang eine Mehrheit (dann reicht eine einfache). Und es ist fraglich, ob Gabriel das riskieren möchte.

In Österreich wollte eine Pastorin schon einmal Bundespräsidentin werden: Gertraud Knoll, evangelische Superintendentin des Burgenlandes, trat 1998 gegen Amtsinhaber Thomas Klestil an, blieb aber chancenlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2016)

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