„Boccaccio“ mit Petticoats und Elvis-Tollen

(C) Herbsttage Blindenmarkt/ Mark Glassner
  • Drucken

Herbsttage Blindenmarkt: Isabella Gregor gelingt ein von goldenen Kinozeiten inspirierter „Boccaccio“.

„Sie hab'n a Haus baut“ in Blindenmarkt – und mit Arik Brauers Austropopsong als Einlage des ganzen Ensembles lässt sich im Rahmen von Franz von Suppés „Boccaccio“ die akustisch tadellos gelungene neue Ybbsfeldhalle standesgemäß feiern. 1990 vom Intendanten Michael Garschall gegründet, haben die Herbsttage Blindenmarkt nun eine repräsentative Spielstätte für ihre alljährliche Operettenproduktion gefunden – komplett mit Orchestergraben und ansteigenden Publikumsrängen. Dass der Saal etwa auch von den örtlichen Schulen für Sport, Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt werden kann, setzt das auf der Bühne geltende Prinzip der Durchmischung von Profis, engagierten Laien und vielversprechendem Nachwuchs fort: In Blindenmarkt lebt so die Idee der Operette als musikalischer Unterhaltung für jedermann weiter.

Behutsam modernisiertes Juwel

Wie man in diesem Sinn ein frühes Juwel des Genres wie „Boccaccio“ szenisch und sprachlich behutsam modernisieren kann, zeigt Regisseurin Isabella Gregor. Sie belässt die Handlung im optisch herbeizitierten Florenz, holt die Jugend aber flugs in die Mitte des 20. Jahrhunderts, ins Ambiente klassischer Filmkomödien Hollywoods oder der Cinecittà – und spielt auf die erotischen Ausschweifungen des „Decamerone“ mit recht konkretem Augenzwinkern an. Nicht nur musikalisch und in den Choreografien, auch in den neuen Dialogen stimmt das Timing, sogar die vielen Nebenfiguren gewinnen Profil – und ein Hund wuselt als wunderbar gespielte Marionette über die Bühne, ohne den Protagonisten die Show zu stehlen.

Alexander Kaimbachers souveräner Boccaccio bildet trotz angestrengter Töne das Zentrum des Abends und schmachtet hingebungsvoll die Fiametta von Milena Arsovska an; daneben bereiten Sebastian Huppmann als Leonetto mit Elvis-Tolle, der mimisch glänzende Lotteringhi Marcus Ganser sowie Anton Graner das meiste Vergnügen. Im Graben ist Kurt Dlouhy auf Ordnung bedacht, hält den Chor sicher auf Schiene und erlaubt dem Kammerorchester Ybbsfeld immer wieder fein erblühende Momente: freudiger Jubel.

Herbsttage Blindenmarkt. Bis 30. 10., herbsttage.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.