Volksseuche Gewalt: Eskalation ist keine Lösung

Symbolbild Rechtsradikalismus
Symbolbild Rechtsradikalismus(c) BilderBox (BilderBox.com / Erwin Wodicka)
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Gewaltprävention. Die Ringvorlesung „Eine von fünf“ der Med-Uni beleuchtet verschiedene Aspekte von Gewalt, wie man sie erkennt, welch weitreichende Folgen sie hat und wie sie vermieden wird. Auch diverse Lehrgängen widmen sich dem Thema.

Polizist ermordet Schwangere“, „Ehemann ersticht Frau“, . . . Schlagzeilen wie diese, manchmal auch mit einer Frau als Täterin, gehen immer wieder durch die Medien und sorgen für Grauen, werfen aber auch die Frage auf: Warum nur wird Eskalation so oft als Lösung gesehen?

Fakt ist: Abseits jener aufsehenerregender Morde findet Gewalttätigkeit meist im Stillen, Alltäglichen statt. Jede fünfte Frau in Österreich ist laut EU-Agentur für Grundrechte körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt, worauf die Ringvorlesung „Eine von fünf“ Bezug nimmt, die am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, startet. Sie wird von Andrea Berzlanovich, Leiterin der Forensischen Gerontologie an der Med-Uni Wien, organisiert und mit dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser durchgeführt. Laut Berzlanovich haben Gesundheitsfachkräfte eine Schlüsselstellung bei der fachgerechten Versorgung und Betreuung der Opfer in der Notsituation. „Misshandlungen können vielfältige Verletzungen sowie akute, chronische, psychische, somatische Leiden hervorrufen“, so Berzlanovich. „Zwar suchen viele Betroffene medizinische oder therapeutische Hilfe, verschweigen aber häufig aus Scham oder Angst die wahren Ursachen der Beschwerden.“

Sehen, erkennen und handeln

Durch wirksame Intervention könnten alle Fachkräfte dazu beitragen, dass weitere Misshandlungen verhindert werden. „Studierende aus unterschiedlichen Fachrichtungen können sich im Hinblick auf ihre berufliche Praxis mit der Gewaltthematik und den daraus resultierenden gesundheitlichen Problemen befassen.“ Auch bereits im Beruf Stehende sind willkommen, sich mit ihren einschlägigen Erfahrungen einzubringen, werden allerdings um Anmeldung per E-Mail gebeten. An sieben Vorlesungstagen werden Themen wie „Besonders gefährdete Frauen“, „Menschenhandel und Flucht“, „In den eigenen vier Wänden“ oder „Medizinische Versorgung“ aufgegriffen. Ein Kooperationspartner ist in diesem Jahr die Volksanwaltschaft, deren Mitarbeiter die vielen Facetten von Gewalt gegen Frauen aufzeigen. Berzlanovich ist auch eine der Vortragenden im Lehrgang des Instituts für Gewaltprävention und Konfliktmanagement in Familien (IFGK). Er dauert ein Semester und richtet sich an Praktiker, die in ihrem Tätigkeitsbereich mit Gewalt- und Konfliktsituationen konfrontiert sind. Da Vernetzung ein besonderes Anliegen ist, werden im Bewerbungsverfahren Teilnehmer aus unterschiedlichen Berufsgruppen ausgewählt. 2015 wurde das Modul Radikalisierungsprävention hinzugefügt. Themen sind Konfliktmanagement und Gewaltprävention, rechtliche Rahmenbedingungen und Neuerungen, etwa die Präventionsnovelle 2016, interkulturelle Konflikt- und Gewaltkonstellationen wie etwa Zwangsehe.

In der Gewaltprävention gebe es hierzulande noch genug zu tun, meint Institutsdirektor Alexander Janda. Zwar sei in Österreich im weltweiten Vergleich im Bereich Opferschutz schon viel geschehen, um diesen Standard halten zu können, bedürfe es aber eines Ausbaus der Arbeit mit Tätern.
Gewaltschutz mit Mediation zu verbinden, ist der Fokus des Hochschul- sowie des Masterlehrgangs zum Thema an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Beide sind berufsbegleitend und dauern sechs Semester. Sowohl Gewaltprävention als auch Mediation gelten als Beratungs- und Interventionsansätze.

Konflikte gewaltfrei lösen

„Beide haben das Ziel, Menschen jedes Alters, in Gruppen, Teams oder größeren sozialen Systemen zu einem kooperativen Streitverhalten anzuleiten“ sagt Claudia Pass, Leiterin des Zentrums für Weiterbildung der Privaten PH. Die erfolgreiche Absolvierung des Masterlehrgangs berechtige nach Nachweis der gesetzlich erforderlichen Praxiserfahrungen die Aufnahme in die Mediatorenliste. Der Masterlehrgang widmet sich etwa zur Hälfte der Mediation. Laut Pass kommt die Mehrheit der Teilnehmer aus pädagogischen Berufen, er steht jedoch allen mit einem abgeschlossenen Studium oder äquivalenten Kenntnissen offen. Der Hochschullehrgang ohne Masterabschluss setzt ein Mindestalter von 25 Jahren oder eine dreijährige Berufserfahrung voraus. Der Master wurde in Kooperation mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ konzipiert und gemeinsam mit ihr durchgeführt. „Da die Teilnehmenden in Schulen und Bildungseinrichtungen tätig sind, können sie direkt vor Ort das erworbene Wissen ein- und umsetzen“, so Pass.

WEITERBILDUNG

•Kostenlose Ringvorlesung „Eine von fünf“, von 25. November bis 15. Dezember, Med-Uni Wien, jeweils um 16 Uhr. www.aoef.at

•Einsemestriger Lehrgang am Institut für Gewaltprävention und Konfliktmanagement in Familien.ww.ifgk.at

•Jeweils sechssemestriger, berufsbegleitender Hochschul- sowie Masterlehrgang der PH der Diözese Linz: Gewaltprävention und Mediation. www.phdl.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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