"Macbeth": Shakespeare-Schocker mit vielen Kindern

Anna Badora
Anna Badora(c) APA (DPA / HORST OSSINGER)
  • Drucken

Anna Badora jagt in Graz ein großes Ensemble durch "Macbeth". Die Protagonisten sind schwach.

„Macbeth“ bringt Theatern Unglück, heißt es. Am Besucher geht der Shakespeare-Schocker selten spurlos vorüber. Claus Peymann probte monatelang, durfte aber letztlich vertrauen – auf Gert Voss und Kirsten Dene. Der verstorbene Jürgen Gosch badete die Tragödie in Fleisch & Blut. In Graz konnte man sich nicht entscheiden, weder für edle Schauspielkunst noch für dampfendes Massaker. Vielleicht war dies das Problem. Dabei war mit Schauspielhaus-Chefin Anna Badora ein Profi am Werk. Im alten Schottland, das Shakespeare im Kontrast zu seiner englischen Heimat besonders düster malte, herrscht eine Art Guerillakrieg: Mann gegen Mann. Zu Beginn der Aufführung öffnen sich Fenster in einer schwarzen Wand, man sieht ineinander verknäuelte Männer.

Die Hexen sind kleine Mädchen. Auch sonst ist der Nachwuchs sehr präsent. Die Warlords schmücken sich gern mit ihren Kindern. Tatsächlich sind diese meist die ersten und besonders bedauernswerten Opfer der Machtkämpfe. Im schönen, kargen Bühnenbild von Raimund Orfeo Voigt hat Badora einen eindrucksvollen Bilderreigen geschaffen. Immer wieder verengen und weiten sich die Perspektiven. Die Architektur mit Podesten und Schräge lässt viel Raum für die sehr körperbetonte Aufführung – die allerdings ihre Opfer fordert.

Claudius Körber (Macbeth) muss mit Gips spielen. Auch Verena Lercher (Lady Macbeth) trägt eine Fasche und ist übersät mit blauen Flecken. Körber und Lercher sind zu bewundern für ihren Einsatz. Ein ideales Schurkenpaar sind sie nicht. Eher würden sie in ein Ehedrama à la Ibsen passen oder in eine moderne Beziehungskiste.

Dass der zarte, magere Körber im Krieg die Feinde reihenweise weggeputzt hat, ist unglaubwürdig. Ihm und Lercher fehlen auch der Furor, die Dämonie, die mindestens zu Beginn vorhanden sein müssten, bevor der Königs- und die folgenden Morde des Paares auf ihre Urheber zurückschlagen. Trotz ihrer Blessuren vollführen die zwei tolle akrobatische Übungen. Die komplizierte Sprache funktioniert tadellos, die Vehemenz ist enorm, die Wirkung mager. Otto David als König Duncan dagegen überzeugt ohne Bewegung vollkommen. Dieser Herrscher ist nicht mild und gut. Er weiß sich bloß nicht zu helfen gegen die wüsten Clans – und tröstet sich gern mit schönen Frauen. Lang küsst er die Lady, nicht wissend, dass es sein letzter Kuss ist. Florian Köhler ist ein frischer, naiver Banquo. Nachdem ihn Macbeth ermorden lassen hat, taucht er als Geist an seiner Tafel auf und wirkt recht entrüstet, dass ihn der Kampfgefährte gemeuchelt hat.

Maßvoll moderne Übersetzung

Jan Thümer ist ein heftiger Macduff, Gustav Koenigs ein bewusst schwach gehaltener Malcolm. Sophie Hottinger gibt eine ausdrucksstarke Lady Macduff, außerdem die Kammerfrau der Lady Macbeth, die entsetzt mit ansieht, wie ihre Herrin in Wahnsinn fällt und alle Untaten gesteht. Franz Xaver Zach bewältigt souverän den zungenbrecherischen Monolog des Pförtners, als Arzt muss er später um sein Leben zittern. Maßvoll modern: Die Übersetzung von Angela Schanelec. Trotzdem: infolge der Schwäche der Protagonisten eher verunglückt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.