Zurück zum Highscore

Videospiele der alten Schule sind wieder da, deren Ursprünge in den Spielhallen der frühen 1980er-Jahre wurzeln. Damals waren die Regeln einfach, aber das Geschehen war schwer zu kontrollieren. Viele aktuelle Games nähern sich diesem Prinzip erneut an.

Pac-Man“, „Space Invaders“, „Donkey Kong“. Viele Videospielklassiker sind ebenso für ihre visuelle Einprägsamkeit wie für ihren hohen Schwierigkeitsgrad bekannt. Vor allem bei „Donkey Kong“ kann ein Spiel schon nach wenigen Minuten vorbei sein, wenn man nicht weiß, was man tun soll oder wie die Bewegungen richtig auszuführen sind. Dieses herausfordernde Design hatte vor allem finanzielle Gründe, denn in die Videospielautomaten sollten ja möglichst viele Münzen geworfen werden. Und das passiert natürlich nicht, wenn ein Game zu einfach ist und man an einer Partie zu lang spielt. Erst wer viel geübt, anderen zugesehen und sich genügend Kleingeld von den Eltern organisiert hatte, wusste mit der Zeit buchstäblich, welche Knöpfe zu drücken waren, um mehr vom jeweiligen Spiel zu sehen und länger als nur wenige Minuten an einem Durchgang dranzubleiben.

Die goldene Zeit der Videospielhalle ist lang vorbei, und obwohl die alten Spiele der damaligen Jahre gern kopiert und für neue Computersysteme umgesetzt werden, war es eine Zeit lang um die knackigen, archaischen Spiele still. Stattdessen setzte man vor allem in den 2000er-Jahren auf filmische Spiele, die mehr erzählen und viel Gestaltungs- und Bewegungsfreiraum bieten. Das kleine, fiese, aber auch motivierende Arcade-Game kam erst um die Jahrtausendwende wieder zurück, dann ebenso durch neue Titel wie etwa „Super Meat Boy“ (2010), bei dem man als lebendiges Fleischstück an Wänden hochspringt und über und durch unzählige Sägeblätter hechtet. Oder „Spelunky“ (2008, Remake 2012), ein Jump'n'Run im Stil von „Super Mario“, dessen Fallen, Rätsel und Geheimnisse sich einem erst dann erschließen, nachdem man schon viele Bildschirmtode gestorben ist.

Das klingt auf den ersten Blick wenig erbauend, noch dazu, wenn ein Spiel sogar aktiv mit einem Motto wie „Press Jump to Die“ wirbt. Doch obwohl es natürlich frustrierend ist, oft zu scheitern und der eigenen Spielfigur beim virtuellen Ableben zuzusehen, verfügen die neuen Geschicklichkeitsspiele der alten Schule gleichzeitig über ein hohes Motivationspotenzial. Das liegt an zwei Hauptfaktoren: Einerseits sind diese Titel zwar schwer und teilweise etwas hinterlistig, aber selten gemein oder gar unfair gestaltet. Übung macht den Meister, und wer Erfahrung sammelt, sieht von Mal zu Mal immer mehr und wird geschickter. Andererseits ist die Motivation das Messen mit sich und anderen. Der Highscore, für lange Zeit aus modernen Computerspielen verschwunden, hat in den vergangenen Jahren ein bemerkenswertes Comeback erlebt. Bei „Spelunky“ oder dem erst kürzlich erschienenen „Gonner“ zählt nicht nur, wie weit man kommt, sondern auch, wie man spielt. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Rein auf Sicherheit spielen lässt einen zwar möglicherweise weiter ins Spiel vordringen, aber nur wer Risken auf sich nimmt, wird mit vielen Punkten belohnt. Daraus folgt natürlich ein ständiges Abwägen des Risikos. Denn: Mehr Punkte bringen nicht viel, wenn man frühzeitig stirbt. Zugeständnisse seitens der Designer gibt es nämlich diesbezüglich keine: Mehrere Leben sucht man hier vergebens, ebenso wie Rücksetzpunkte. Wer verliert, muss wieder ganz von vorn beginnen.

Der Aufstieg der neuen alten Highscore-Spiele ist zu einem großen Teil dem Erfolg von Smartphones und Tablets zu verdanken. Diese sind ebenfalls zu Beginn der 2010er-Jahre populär geworden, waren aber aufgrund der technischen Überschaubarkeit und auch wegen anderer Spielsituationen – Stichwort: Bushaltestelle – perfekt für kleinere, leichter zugängliche Titel geeignet. Kein Wunder, dass vor ein paar Jahren eine eigene kleine Box erschienen ist, in der man sein iPad hineinstellen konnte. Das Gerät heißt iCade (abgeleitet von Arcade) und verfügt, ganz alte Schule, über einen kleinen Joystick und vier originalgetreue Spielhallenknöpfe, wie sie früher üblich waren. „Pac-Man“, „Space Invaders“, „Galaga“ und ähnliche, neue Spiele, die sich von Präsentation und Spielprinzip darauf berufen – sie alle sind auf modernen, tragbaren Geräten spielbar. Übrigens feiert „Pac-Man“ auch auf Konsolen und PCs fröhliche Urständ: Das Spiel wurde vor wenigen Wochen in der „Championship Edition 2“ aufgefrischt. So ist der gelbe Pillenfresser natürlich schneller und dynamischer geworden, und nun sind es nicht bloß vier verschiedene Geister, die ihn jagen, sondern manchmal bis zu 50.

Rückkehr der Flipper

Apropos Spielhalle der 1980er-Jahre: Auch Flipper feiern durch die Highscore-Welle der vergangenen Jahre ein erfreuliches Comeback. Simulationen wie „The Pinball Arcade“ und „Zen Pinball“ verfügen mittlerweile über Dutzende digital nachgestellte Flipper sowie Eigenkreationen. Zudem sind fantastischere Flipper hocherfolgreich: Das erst kürzlich erschienene „Pin-Out“ ist ein unendliches Flipperspiel, bei dem man ohne Unterlass auf immerwährende Rampen nach oben schießt. Es zählt derzeit rund fünf Millionen Downloads. Punkte gesammelt werden durch gezielte Schüsse, das Anhäufen von Bonuspunkten und das erfolgreiche Absolvieren kleiner Minispiele im Spiel, ebenso Retro-Games mit Highscores.

Die Punktejagd kommt mittlerweile sogar dort an, wo man gar nicht mit ihr rechnet: In der Neuauflage des brachialen wie richtungsweisenden Horrorshooters „Doom“aus diesem Jahr (Original: 1993) haben die Entwickler erst vor Kurzem einen speziellen Arcade-Modus integriert. Dabei geht es weniger um gruselige und spannende Momente, sondern darum, die Monster und Zombies möglichst schnell und effizient zu eliminieren. Es ist eine Punktejagd im klassischen Sinn: Wer schafft in kurzer Spielzeit einen hohen Punktestand – oder: Wer kann am längsten überleben? Wem die Highscore-Jagd irgendwann zu wenig wird, für die und den wurde der sogenannte Daily Run erfunden. Viele zeitgenössische Games mit Spielhallenflair, darunter „Spelunky“ und „Gonner“, bieten diesen Modus. Dabei gibt es ein bestimmtes, neues Level, das allerdings nur 24 Stunden verfügbar ist. Jeder hat nur einen Versuch und muss natürlich alles geben. Ist der – unausweichliche – Bildschirmtod dann irgendwann eingetreten, kommt der Moment der Wahrheit: Wie gut habe ich mich im heutigen Highscore platziert? Es ist ein freundlicher, motivierender Wettbewerb und hat einen entscheidenden Vorteil: Man muss nicht mehr länger Fünf- und Zehn-Schilling-Münzen in riesige Automaten werfen! ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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