Irland-Abstimmung: "Kopf sagt Ja, Herz sagt Nein"

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Irland-Abstimmung: "Kopf sagt Ja, Herz sagt Nein"(c) AP (Christian Lutz)
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Was sagen Befürworter, was Gegner über den EU-Vertrag? Pat Cox war Präsident des EU-Parlaments und führt die Bewegung "Ireland for Europe" an: Im Gespräch mit der "Presse" spricht er sich für den EU-Vertrag aus.

„Die Presse“: Welchen Ausgang erwarten Sie beim Referendum über den Lissabon-Vertrag am Freitag?


Pat Cox: Ich erwarte ein Ja und hoffe auf ein starkes Ja. Am liebsten wären mir 60 Prozent, aber jede Mehrheit zählt. Psychologisch wäre es wichtig, dass das Ja-Lager nun besser abschneidet als letztes Mal das Nein-Lager (mit 53,4 Prozent, Anm.).


Ist die Entscheidung bereits gefallen?


Cox: Es scheint ziemlich entschieden. Die Iren haben über die radikal geänderten Umstände der letzten Monate gut nachgedacht, das ist eine Motivation, sich wieder für Europa zu engagieren. Zugleich gibt es Ärger über den Zustand der heimischen Politik und Wirtschaft. Das heißt: Der Kopf sagt Ja, das Herz sagt manchen Nein.


Welche Rolle spielt die Wirtschaftskrise?


Cox: Vor dem letzten Referendum war die bevorstehende Krise für niemanden erkennbar. Nun haben wir den tiefsten Niedergang. Es wird den Menschen zeigen, welchen Wert europäische Solidarität hat. Dieses Bewusstsein hat uns letztes Mal vielleicht ein wenig gefehlt. Wir leben auf einer Insel, die Verbindungen mit der Außenwelt braucht, und wir haben den Unterschied zwischen Irland und Island gesehen: die Mitgliedschaft in der EU.


Fürchten Sie, dass das Referendum zu einer Protestwahl gegen die Regierung wird?


Cox: Es gibt eine Menge Ärger, kein Zweifel. Ich appelliere aber an jene, die die Regierung abstrafen wollen, auf die nächste Wahl zu warten.


Viele ärgert, dass sie erneut abstimmen müssen.


Cox: Ja, aber das wird nicht entscheidend sein.


Was, wenn Irland noch einmal Nein sagt?


Cox: Für die EU wird es zumindest kurzfristig ein Rückschlag und Prestigeverlust sein, weil wir zeigen, dass wir nicht einmal zu bescheidenen Reformen fähig sind. Für Irland aber hieße es, dass wir unsere europäische Zukunft von den Entscheidungen anderer abhängig machen. Und finanziell brächte es große Unsicherheiten, die den Steuerzahler hunderte Millionen Euro kosten. Ein Nein würde auch in den tausenden Firmen gehört werden, die bei uns investiert haben.


Entscheidet Irland über Europas Schicksal?


Cox: Das Ergebnis wird uns für eine Generation kennzeichnen. Das gilt auch für Europa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2009)

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