Griechische Inseln. Die Bearbeitung der Asylanträge zieht sich wegen Personalmangels in die Länge; EU-Hilfe lässt auf sich warten.
Athen/Rom. In der Nacht auf Donnerstag ist es auf der griechischen Ägäisinsel Chios erneut zu schweren Ausschreitungen von Flüchtlingen und Migranten gekommen. Wie die Insel-Onlinezeitung Politis berichtete, hatte eine Gruppe von Migranten am späten Mittwochabend ein Geschäft mit Feuerwerkskörpern geplündert und diese anschließend im Auffanglager Souda abgefeuert. Dort brannte dann ein großer Teil der Ausstattung ab.
Die Feuerwerkskörper wurden demnach auch auf Häuser in der Nachbarschaft geworfen, die Szenerie habe einer Belagerung geglichen, heißt es in dem Bericht. Bewohner eilten in Panik auf die Straßen, die Bereitschaftspolizei rückte an, die Migranten warfen mit Steinen. Verletzt wurde dem Bericht zufolge niemand, aber es gab mehrere Festnahmen.
Im griechischen Fernsehsender Skai beschwerten sich am Donnerstag Inselbewohner: Es könne nicht sein, dass die Ostägäisinseln mehr als 15.000 Flüchtlinge beherbergten; es gebe eine Vereinbarung der griechischen Regierung mit der EU, die jedoch nicht eingehalten werde. Allein auf der Insel Chios leben nach Angaben des griechischen Flüchtlingskrisenstabs 4000 Flüchtlinge und Migranten, gut vier Mal so viele, wie Plätze vorhanden sind. Sie sollen im Rahmen der zwischen der EU und Ankara getroffenen Vereinbarung in die Türkei zurückgeschickt werden. Zuvor dürfen sie Asyl beantragen; weil sich aber die Bearbeitung der Anträge mangels Personals in die Länge zieht, harren die meisten bereits seit vielen Monaten auf Chios und den anderen Inseln aus.
Neues Flüchtlingsdrama im Mittelmeer
Indessen hat sich im Mittelmeer erneut eine Flüchtlingstragödie mit Dutzenden Toten ereignet. In der Nacht auf Donnerstag kenterte ein Schlauchboot mit 130 Flüchtlingen an Bord; nur 27 Menschen konnten gerettet werden, teilte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MsF) mit. Das jüngste Flüchtlingsdrama ereignete sich rund 30 Seemeilen vor der libyschen Küste. Die Überlebenden wurden in Sicherheit gebracht. Die italienische Küstenwache koordinierte am Donnerstag die Rettung von weiteren 120 Migranten an Bord eines Schlauchbootes.
MsF beklagte, dass sich praktisch jeden Tag eine Flüchtlingstragödie im Mittelmeer ereigne. Die NGO fordert erneut mit Nachdruck die Einrichtung humanitärer Korridore, um Flüchtlingen zu ermöglichen, über sichere Wege nach Europa zu gelangen. (ag. )
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)