Kolumbien: Zweiter Anlauf für Frieden

Das kolumbianische Volk soll nun nicht mehr zum Friedensabkommen befragt werden.
Das kolumbianische Volk soll nun nicht mehr zum Friedensabkommen befragt werden.(c) APA/AFP/LUIS ROBAYO
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Kolumbien. Präsident Santos will adaptierten Vertrag mit Farc-Rebellen durchs Parlament peitschen.

Buenos Aires/Bogotá. Das Teatro Colón im Zentrum von Bogotá wird heute, Donnerstag, Bühne für einen historischen Akt, sagt Kolumbiens Regierung. Ihre Gegner sehen in dem Programm der kurzfristig anberaumten Matinee jedoch ein politisches Schurkenstück. Um elf Uhr morgens werden Kolumbiens Präsident, Juan Manuel Santos, und der Führer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, Farc, Rodrigo Londoño, alias Timoschenko, ihre Unterschriften unter den überarbeiteten Friedensvertrag setzen. Doch ob das Abkommen, das ein definitives Ende des 52-jährigen Krieges zwischen der marxistischen Guerilla und der Republik verkünden wird, wirklich Kolumbien wird befrieden können, ist angesichts der tiefen Spaltung des Landes fraglich.

Nach der überraschenden Niederlage im Referendum über den Friedensvertrag am 2. Oktober hatte die Regierung von den Vertretern des No über 400 Änderungsvorschläge für den in vier zähen Verhandlungsjahren ausgehandelten Kompromiss mit den Farc entgegengenommen. Daraufhin setzten sich Regierung und Rebellen aufs Neue in Havanna zusammen und modifizierten 56 der 57 Kapitel des Vertrages. Dabei wurden viele Abschnitte des Urtextes ergänzt und teilweise neu formuliert. Aber mehrere Kernforderungen der No-Fraktion wie etwa die Einweisung von geständigen Rebellen in gewöhnliche Gefängnisse sind nicht vorgesehen.

Das vom Ex-Präsidenten Álvaro Uribe angeführte Lager hatte zudem verlangt, dass es keine Garantiemandate für eine politische Farc-Nachfolgeorganisation geben dürfte. Doch die Rebellen konnten sich durchsetzen. Sie bekommen Sitze in Parlament, Senat und Regionalvertretungen.

Uribe kündigt Widerstand an

Den überarbeiteten Vertrag hatte Präsident Santos vor zehn Tagen präsentiert und zur Eile gemahnt, denn der Waffenstillstand sei brüchig. Am Montag debattierten Regierung und Kontrahenten sieben Stunden lang über den überarbeiteten Vertrag, doch konnten sie keine Einigung erzielen. „Trotz der erheblichen Veränderungen des Vertrages stellen sich die radikalen Vertreter des No weiterhin quer“, sagte Präsident Santos nach dem Treffen. „Ich bedauere das zutiefst.“ Am Dienstag kündigte der Präsident vor dem Senat an, dass das neue Übereinkommen allein auf parlamentarischem Wege verabschiedet werde, eine weitere Volksabstimmung werde es nicht geben. „Eine bedeutende Mehrheit der Zivilgesellschaft, der Kirche und politische Kreise äußerten ihre Beunruhigung gegenüber einem neuen Plebiszit“, sagte Santos in einer TV-Ansprache. „Eine neue Kampagne würde das Land auf gefährliche Weise polarisieren. Aber dieses soll ein Moment der Einigkeit sein und nicht der Spaltung.“

Im Parlament hat Santos' Regierungskoalition eine deutliche Mehrheit, die wahrscheinlich noch von einigen linken Oppositionsabgeordneten ergänzt wird, darum ist mit einer Annahme des Übereinkommens zu rechnen. Dass diese Vorgehensweise legal ist, bestätigen die meisten Verfassungsexperten. Tatsächlich hatte Santos – in der sicheren Erwartung eines Sieges – das Referendum angesetzt, obwohl die Verfassung das nicht vorschreibt. Doch über die Legitimität dieses Vorgehens herrscht Streit. Uribe hat Widerstand angekündigt, er könnte sowohl beim Obersten Gerichtshof Rekurs einlegen als auch versuchen, auf den Straßen zu mobilisieren. In jedem Fall dürfte der Ex-Präsident und heutige Senator versuchen, das Thema warmzuhalten, um es im anstehenden Wahlkampf einzusetzen. Die Kampagne für Parlaments- und Präsidentenwahl Anfang 2018 beginnt Mitte 2017.

Santos, dem am 10. Dezember in Oslo der Friedensnobelpreis überreicht wird, ist sich der Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung sicher. Er und die Farc setzten alles daran, den Prozess so schnell wie möglich abzuschließen, um nicht vom Wahlausgang in den USA gebremst zu werden. Kontrahent Uribe pflegt enge Beziehungen zu konservativen Kreisen der Republikaner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2016)

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